Das in Ottensen ansässige Label Es-Dur heimst am Sonntag in München gleich zwei Preise in der Rubrik Echo-Klassik ein. Die Musikerin und der Musiker hinter dem Label stehen oft nur im Kleingedruckten.

Hamburg. Wenn sich am Sonntagnachmittag vor der Philharmonie am Gasteig in München die Weltberühmtheiten und die angehenden Stars der Klassik aus den Sponsorenlimousinen wuchten, um bei der Echo-Verleihung ihre Jahrestrophäen in Form einer mäßig schönen silberfarbenen Skulptur, deren Gestalt wohl an Schallwellen erinnern soll, in Empfang zu nehmen, dann werden auch eine Frau und ein Mann aus Hamburg über den roten Teppich schreiten. Die Chancen stehen gut, dass sie keiner der Blitzlichtfotografen erkennt. Denn ihre Namen und Konterfeis prangen nie vorn auf der Hülle einer CD; die Namen Karola Parry und Udo Potratz stehen immer nur im Kleingedruckten auf der Rückseite.

Dennoch dürfen sich die beiden in München den Lohn für ihre und ihrer Musiker Arbeit gleich doppelt abholen. Die auf ihrem in Altona ansässigen Label Es-Dur erschienene CD „Pohádka“ mit David Geringas (Cello) und Ian Fountain (Klavier) wird in der Kategorie „Kammermusik 19. Jahrhundert, gemischtes Ensemble“ mit dem Echo 2014 ausgezeichnet, „Adolphe Blanc String Quartets“, eingespielt vom fabergé quintett, das sich im Jahr 2000 aus Mitgliedern des NDR Sinfonieorchesters formierte, gewann den Echo in der Kategorie „Kammermusik 19. Jahrhundert, Streicher“.

Beim musikalischen Mini-Imperium wird noch alles selbstgemacht

Der Firmensitz von Es-Dur liegt recht verwunschen in einem Ottensener Hinterhof, aber da wird es jetzt kurz mal ein bisschen kompliziert. Denn Es-Dur ist zweierlei – ein Tonstudio und ein Label. Dann gibt es noch ein zweites Label namens Charade, und um die Verwirrung komplett zu machen, liegt die Labelarbeit in der Hand einer von Parry und Potratz gemeinsam geführten Dachfirma, die C2 Hamburg Musik & Medienproduktion heißt. Das Tonstudio gehört Parry allein, alles andere betreiben sie in gemeinsamer Verantwortung. Und nun wird es wieder ganz einfach, denn mit den beiden Genannten ist das Personal dieses musikalischen Mini-Imperiums bereits vollständig aufgezählt. Sie machen eben (noch) alles selbst – aufnehmen, mischen, Mastering, Texte fürs Booklet bestellen, Bilder für die Cover aussuchen, die Künstler betreuen, den Vertrieb organisieren und die Werbung. Es-Dur ist ein klangvoller Name für ein Klassiklabel, aber erfunden hat das tüchtige Duo ihn nicht. Eberhard Schnellen dienten seine Initialen 1987 als Anregung für eine harmonische Taufe seines Unternehmens, das zunächst mal nur ein Tonstudio war. Parry stieß irgendwann dazu – wie Udo Potratz hat auch sie den Beruf des Tonmeisters gelernt. Als die beiden das Label im Frühjahr 2011 von Schnellen übernahmen, sahen sie keinen Anlass, den Namen zu ändern. Schließlich hatte sich Es-Dur als feine Nischenmarke mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Klassik von Hamburger Ensembles und/oder von Hamburger Komponisten schon einen guten Ruf erspielt.

Schon 2015 könnte die nächste Echo-Trophäe nach Hamburg gehen

Der Doppel-Echo jetzt ist „eine tolle Sache, über die wir uns wahnsinnig freuen, zuerst natürlich für die Künstler“, sagt Parry. „Aber auch für uns selbst. Neben all den Mühen ist das Anerkennung und auch Ansporn.“ Im Flur gleich neben der Eingangstür, wo penibel ausgemessen in Regalen ein Teil der jüngsten CD-Produktionen lagert, liegt griffbereit ein Band mit Stickern, die man als Label käuflich von der Deutschen Phonoakademie erwerben kann, hat man von ihr einen Echo für eine CD zugesprochen bekommen und will das den Kunden auch mitteilen. Mit der Gestaltung ihrer Cover und der Aufmachung der CDs sind die beiden nun zäh und stetig dabei, sich bei aller Bescheidenheit der Mittel eine klare ästhetische Corporate Identity zu schaffen. Sie gilt ihnen mehr als stilistische Begrenzungen dessen, was auf ihrem Label erscheinen soll. Qualität und Originalität sind unverzichtbar. Mancher Künstler muss sanft davon überzeugt werden, dass auf dem Cover nicht unbedingt er oder sie zu sehen sein muss, damit die Veröffentlichung die Neugier des Publikums weckt. Als wüssten Parry und Potratz nicht längst, dass ein Label neben der künstlerisch-technischen Arbeit enorm viel Administration erfordert, rief es ihnen das sorgfältige Studium eines viele Seiten umfassenden Lizenzvertrags für den Vertrieb ihrer Produkte in den USA kürzlich in Erinnerung.

So schön die Ehrung in München ist: Ihr Anlass liegt schon einigermaßen tief in der Vergangenheit. Viel aktueller für Karola Parry ist etwa die Freude über die hymnische Besprechung der im September bei Es-Dur erschienenen Aufnahme der sechs Hamburger Symphonien von C. P. E. Bach mit dem Ensemble Resonanz unter der Leitung von Riccardo Minasi. Das Lob, das da am vergangenen Dienstag beim WDR über den Sender ging – von einem Meilenstein war die Rede, vom großen Wurf und einem Höhepunkt des zu Ende gehenden Bach-Jahrs –, wurde zwar recht nüchtern vorgetragen. Doch die Worte taten wohl, und sie sind nicht übertrieben. Die Einspielung atmet eine vibrierende Lebendigkeit, fast ein Fieber. Könnte sein, dass da bei Es-Dur schon ein Echo-Kandidat für 2015 lauert.