Nichts geht übers Schauspielersein, findet Miriam Stein, Tochter des TV-Moderators Max Moor. Ab heute ist sie im Kino in „Hin und weg“ zu sehen

Hamburg. Es könnte gut sein, dass Miriam Stein gerade auf dem Weg nach oben ist. Sie hat im vielfach ausgezeichneten ZDF-Weltkriegs-Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ mitgespielt. Vorher war sie schon im Dichterfürst-Update „Goethe!“ an der Seite von Alexander Fehling und Moritz Bleibtreu zu sehen. In beiden Filmen spielte sie Frauen, die Charlotte heißen. Heute nun kommt sie mit dem Film „Hin und weg“ in die Kinos, einer ungewöhnlichen Tragikomödie, in der es sowohl um Freundschaft als auch um Sterbehilfe geht. Zur Abwechslung heißt sie in diesem Film mal Sabine. Beim Filmfest Hamburg stellte sie „Hin und weg“ mit dem Regisseur Christian Zübert, Florian David Fitz und Jürgen Vogel als Deutschlandpremiere vor.

Die Sache mit den High Heels war am Nachmittag noch nicht ganz geklärt. Miriam Stein wollte sie gern tragen, aber im Cinemaxx auch nicht als Einzige umständlich die lange Treppe zur Leinwand heruntergehen müssen. „Zieh deine doch auch an!“, bat sie ihren Regisseur, als sie ihn nach dem Interview im Hotelflur traf.

Zübert hat „Hin und weg“ als einfühlsamen Film inszeniert. Er erzählt von einer Gruppe von Freunden, die gemeinsam einen Fahrradurlaub machen. Belgien ist ihr Ziel, warum, das erfahren sie erst ziemlich spät. Einer von ihnen ist sterbenskrank und möchte mithilfe eines Arztes in Ostende seinem Leben ein Ende setzen. Florian David Fitz spielt Hannes, der an einer tödlichen Erbkrankheit leidet. Die Freunde müssen lernen, mit der Situation umzugehen. Dazu gehört auch Michael, gespielt von Jürgen Vogel. Wie in jedem Urlaub reißt er wieder eine Frau auf: Sabine, gespielt von eben dieser Miriam Stein, stößt neu zur Gruppe und lebt offenbar für das schnelle Vergnügen.

Es ist eine ungewöhnliche Figur für die 26-Jährige, die bisher eher in ernsten Rollen zu sehen war. Miriam Stein bricht eine Lanze für Sabine: „Sie kommt erst mal rüber wie eine oberflächliche Bratze, aber das ist sie nicht. Sie zieht sich vielleicht anders an als die anderen Frauen im Film, aber sie ist ehrlich, direkt und durchaus reflektiert. Ich finde, sie hat eine tolle Art, mit dem Thema Sterben umzugehen, und hilft der Truppe durch ihren Blick von außen. Sie ist anders, als sie auf den ersten Blick scheint.“

Diese Differenz wird durch den äußerlichen Auftritt von Sabine betont. Miriam Stein musste sich für diese Rolle blonde Extensions ins Haar flechten lassen und trägt im Film heftiges Make-up. „Normalerweise setzt man bei mir auf Natürlichkeit, will mich am liebsten gar nicht geschminkt.“ So wie jetzt. Die schlanke Schauspielerin ist temperamentvoll, gestikuliert viel und wuselt immer wieder mit ihren Fingern in ihren langen brünetten Haaren herum. Mit ihrem Kollegen Jürgen Vogel hat sie sich ausgesprochen gut verstanden. „Mit Jürgen war es großartig. Er ist so lustig. Wir sind jetzt befreundet. Es ist uns schon gelungen, dass wir gemeinsame Abendessen veranstalten.“

Herausforderungen lagen für die Darsteller nicht nur in der Psychologie ihrer Rollen. Der Film ist ein Roadmovie für Fahrräder, motorische Geschicktheit war gefragt. „Wir mussten immer super langsam fahren, damit es auch technisch klappt. Wir wären gern schneller geradelt, weil man sonst immer so ins Wackeln kommt.“

Stein wackelt bisher weder in dieser noch in ihren anderen Rollen. Sie ist eine der interessantesten Schauspielerinnen ihrer Generation, in Österreich geboren und dort auch aufgewachsen. Nachdem sie Andres Veiels Film „Die Spielwütigen“ über die harte Schauspielerausbildung an der Berliner Ernst-Busch-Schule gesehen hatte, wollte sie dort nicht mehr hin. Sie ging stattdessen an die Zürcher Hochschule der Künste. „Da ging es nicht darum, Menschen zu brechen oder zu verändern. Wichtig war dort: Was bringt der Mensch mit, und wie kann ich ihn positiv bestärken?“ Das scheint bei ihr gut funktioniert zu haben. Doch wenn sie über ihren Beruf spricht, wird sie nachdenklich: „Er ist der schönste, den man haben kann, solange er funktioniert.“

Sorgen über die Beschäftigungslage sind ihr nicht fremd, doch bisher hatte sie immer Glück. „Aber was mache ich, wenn das aufhört? Das hat nicht einmal etwas damit zu tun, ob man gut ist. Ich habe Freundinnen, die tolle Schauspielerinnen sind, aber gar nicht drehen.“ Andere, von denen sie weniger hält, seien gut in Geschäft. Sie selbst ist sprachbegabt und hat darüber nachgedacht, ob sie eine Ausbildung zur Simultan-Dolmetscherin machen oder studieren sollte. Aber zeitlich sei das nicht zu bewältigen, sagt sie.

Miriam Stein sieht sich erfrischend selbstkritisch. „Ich mag Rollen, bei denen es ans Eingemachte geht“, sagt sie. „Man kann aber nicht alles spielen, das ist eine Illusion.“ Ihr Licht unter den Scheffel stellen will sie auch nicht, aber sie hat sich schon ihre Gedanken über die Sonnen- und Schattenseiten des Schauspielerdaseins gemacht.

„Irgendetwas kommt ja immer von einem selbst, wenn es glaubwürdig sein soll. Das ist es ja, was einen einzigartig macht. Und doch ist man komplett ersetzbar, das ist ja das Paradoxe daran. In dem Beruf passiert ganz viel unbewusst. Darum muss man sich auch schützen. Ich versuche das in meiner Rollenauswahl zu berücksichtigen.“

Im Februar wird man sie in der dänisch-belgisch-deutschen Koproduktion „Das Team“ an der Seite von Lars Mikkelsen, Veerle Baetens und Jasmin Gerat im ZDF sehen können. „Sehr spannend“, kündigt sie an. Man könnte meinen, dass sie solche Angebote mit ihrem Vater bespricht, dem Schauspieler und Moderator Dieter Moor. Aber „wenn wir es zeitlich endlich mal schaffen, uns zu sehen, reden wir grundsätzlich eher nicht über den Beruf.“

Miriam Stein, die in Berlin lebt, möchte noch viel reisen und geht leidenschaftlich gern ins Kino, am liebsten sieht sie Filme in Originalfassung, zuletzt hat sie sich David Finchers „Gone Girl“ angesehen und war begeistert: „Was für ein Drehbuch, was für eine tolle Frauenrolle!“

Am Tag nach diesem Gespräch treffen wir einander noch einmal wieder, per Zufall im Dammtor-Bahnhof. Sie winkt schon von Weitem, lacht und erzählt mir noch schnell etwas auf der Rolltreppe, als wir auf Augenhöhe sind. Dafür müssen wir beide rückwärts gehen, weil wir in entgegengesetzten Richtungen unterwegs sind. Das ist zwar kurios, klappt aber ganz gut. Mit den High Heels beim Filmfest habe es doch noch geklappt, erzählt sie: „Jürgen, der Gentleman, hat mich geführt.“ Dann fährt sie weiter in Richtung Bahnsteig. Nach oben natürlich.

Die Kritik zu „Hin und weg“ steht im Live-Heft, der Film läuft u.a. im Cinemaxx, Koralle und UCI