„Kaspar Häuser Meer“ ist ein bedenkenswerter und kurzweiliger Theaterabend

Hamburg. Sie haben bisher noch nicht für sich die Spielzeit mit einem Theaterbesuch eröffnet? Dann tun Sie es jetzt mit dem Theater Kontraste in der Komödie Winterhuder Fährhaus. „Kaspar Häuser Meer“ heißt der kryptisch anmutende Titel des Trauerspiels als Realsatire von Felicia Zeller, das drei Sozialarbeiterinnen am Rande des Nervenzusammenbruchs zeigt. Drei mit dem papierbürokratischen Wust ihrer Aufgaben überforderte Frauen, die zwischen helfen wollen und nicht können eine Lösung finden müssen und selbst dabei auf der Strecke bleiben. Drei vorzügliche, außerordentlich typengerecht besetzte Schauspielerinnen – Katharina Abt, Barbara Krabbe, Verena Mörtel – beherrschen ihre nicht nur sprachlich irrwitzigen Rollen unter der nie in die Klamotte abgleitenden Regie von Harald Weiler.

Nein, komisch ist das Thema um vernachlässigte, missbrauchte, zu Tode gequälte Kinder nicht, das uns täglich mit immer neuen Fällen entsetzt. Doch hat Felicia Zeller nicht die Opfer in das Zentrum ihrer Groteske gerückt, sondern diejenigen, die mit dem Schmutz und der Brutalität konfrontiert sind, die Sozialarbeiterinnen. Dadurch enthebt uns die Dramatikerin quasi der Pflicht, betroffen zu sein, es sei denn, diese drei tun uns von Herzen leid in ihrem chaotischen Getriebensein und ihrem vergeblichen Aktivismus, der Handeln durch rudimentäre, wahnsinnig schnelle Wortkaskaden ersetzt hat. Das zu sprechen ist schon eine Riesenherausforderung. Dieser absurde Sprachwitz, gepaart mit Situationskomik, machen aus der beklemmenden Wahrheit einen ebenso bedenkenswerten wie kurzweiligen Theaterabend.

In der von Lars Peter mit vier Schreibtischen – einer ist verwaist, weil Kollege Björn wegen Krankheit ausfällt: „Björn-Out“ – und einer Wand aus Aktenkartons möblierten Szene, erleben wir die Pein der alkoholisierten Tagträumerin Silvia, der molligen Anika, die selbst ihr Kind vernachlässigt, und der dröge pragmatischen, sich nach fernen Ferienzielen sehnenden Barbara. Am Ende hören wir, eher zynisch denn tröstlich, den Song „Über sieben Brücken musst du gehen“, während die Wand auseinanderbricht und Hunderte gestapelter Plüschtiere zu sehen sind. Geschenke statt Liebe. Bitter.

„Kaspar Häuser Meer“: 2. bis 18.10. und 5. bis 21.11., jeweils 19.30 Uhr