Wolf-Dietrich Sprenger inszeniert „Heute bin ich blond“ am Ernst Deutsch Theater. Das Stück erzählt von einer jungen Frau, die an Krebs erkrankt

Hamburg. Die Niederländerin Sophie van der Stap war gerade 20 Jahre alt, als bei ihr Krebs diagnostiziert wurde. Die Erfahrungen im Kampf gegen die Krankheit verarbeitete sie in einem Buch, das 2006 in den Niederlanden erschien und unter dem Titel „Das Mädchen mit den neun Perücken“ zum Bestseller wurde. Sophie will lebenslustig bleiben, das Leben genießen. 2008 erschien das Buch auch in deutscher Sprache und wurde als „Heute bin ich blond“ verfilmt. Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger inszeniert das Stück nun am Ernst Deutsch Theater. Premiere ist am 2. Oktober.

Hamburger Abendblatt: Wie sehr beschäftigt Sie das Thema Krebs?
Wolf-Dietrich Sprenger: Ich habe das Angebot für die Inszenierung zufälligerweise genau in dem Moment bekommen, als ich erfuhr, dass ich selbst einen Tumor habe. Ich habe das Stück gelesen und gedacht, das schaffe ich nicht, mich nun auch noch in der Arbeit mit dem Thema auseinanderzusetzen. Meine zweite Reaktion war aber, dass mir dieses Stück bei der Bewältigung meiner Krankheit helfen könnte. Inzwischen ist meine Krankheit ziemlich erfolgreich behandelt, und ich hoffe, dass ich wieder gesund bin.

Die Idee Leben und Arbeit zu verschmelzen war also gut?
Sprenger: Ja. Es gibt auch in dieser Produktion einige Menschen, die Angehörige haben, mit denen sie jahrelang gegen Krebs gekämpft haben. Es ist viel Authentisches und Wahres in die Inszenierung eingeflossen. Und ich versuche, die seelischen Momente, die die Kranke hat, im Theater zu zeigen.

Was erzählt das Stück?
Sprenger: Eine junge Frau bemerkt bei einer Silvesterfeier, dass sie ständig husten muss. Beim Arzt wird entdeckt, dass sie Krebs hat. Sie kommt ins Krankenhaus, dort läuft sie mehrmals weg. Ihre Beziehung zu einem Fotografen endet. Mit seiner Hilfe veröffentlicht sie allerdings einen Blog, der dazu führt, dass sie jede Woche in einer Zeitung eine Seite veröffentlichen kann. Darüber schöpft sie neuen Lebensmut. Im Krankenhaus gibt es eine Freundin, ihr Name ist Chantal, die schon länger Krebs hat. Auch ihr Schicksal wird in dem Stück erzählt.

Der Roman kommt zum ersten Mal auf eine Bühne?
Sprenger: Ich habe das Buch gelesen und ein Interview mit Sophie van der Stap gesehen. Ich fand sie sehr klug und sympathisch. Und da wusste ich, dass ich das Stück inszenieren will. Auf der Bühne benötigt man natürlich eigene Mittel. Wir arbeiten beispielsweise in der Aufführung sehr stark mit Klaviermusik, die das Entsetzen verdeutlicht, das sich ausbreitet, wenn man erfährt, dass man Krebs hat.

Es hat sich wohl jeder Mensch schon mal mit der Frage auseinandergesetzt, was man machen würde, wenn man eine schlimme Diagnose bekommt. Manch einer plant dann noch eine große Reise, andere wollen einfach so weitermachen wie bisher. Was ist die häufigste Reaktion?
Sprenger: Große Angst. Und dann folgt auch schon der unbedingte Wille zu überleben. Bei Sophie van der Stap hat es sich darin geäußert, dass sie sich Perücken gekauft und verkleidet hat, um ihr eigenes, krankes Ich zu verlassen und zu einem anderen Menschen zu werden. Sie läuft aus dem Krankenhaus weg und geht in die Disco. Um zu leben. Das ist vielleicht nicht gesund, aber bei ihr hat es geklappt. Die größte Angst, die jeder kennt, der Krebs hatte, ist wohl, dass die Krankheit zurückkommt. Man beobachtet sich ständig.

Das Buch ist auch verfilmt worden.
Sprenger: Ich kenne den Film nicht. Ich habe aber gehört, dass darin, übertragen formuliert, die Botschaft verbreitet wird, ‚wenn man lächelt, wird man nicht krank‘. Meine Erfahrung ist eine andere. Aber auch meine Inszenierung endet mit einer Hoffnung.

Es ist schwer, im Theater mit Filmbildern zu konkurrieren. Was kann das Theater in diesem Fall besser?
Sprenger: Ich habe beim ‚Plattform-Theater‘ zehn junge Menschen gefunden, die mitmachen. Sie sind so alt, wie das Mädchen, das Krebs bekommt. Sie bringen viel Leben auf die Bühne, sie singen und tanzen. Es macht ihnen viel Spaß, aber uns auch, mit ihnen zu arbeiten.

Ein Abend über Leben und Tod muss zwangsläufig sehr emotionsgeladen sein.
Sprenger: Das Thema bewegt sehr. Ich hoffe, dass wir die Zuschauer berühren und zwar nicht in einer kitschigen Weise. Ich heule manchmal auf den Proben. Aber das hat wohl mit den eigenen Erlebnissen zu tun.

„Heute bin ich blond“ Ernst Deutsch Theater, Premiere am 2. Oktober um 19.30 Uhr bis 27. Oktober, Karten gibt es zu 20 bis 39 Euro unterT. 22 70 14 20 und per E-Mail: tickets@ernst-deutsch-theater.de