Der Tenor Rolando Villazón stellt seinen ersten Roman „Kunststücke“ beim Harbour Front Festival vor

Hamburg . Es ist zwar stellenweise interessant, diesen Roman zu lesen. Aber lohnend, bereichernd, überraschend – all das ist diese Lektüre leider nicht. Weil allzu oft die Ambition durchscheint, es „richtig“ machen zu wollen, und weil der Autor kein normaler Debütant ist, sondern ein prominenter Quereinsteiger in den Literaturbetrieb. Er erzählt von einem Erfolg vermissenden Clown namens Macolieta, der selten klar kommt im Leben und erst recht nicht mit den Frauen. Und der in sein Notizbuch eine Geschichte schreibt über einen erfolgsverwöhnten Clown namens Balancin, der meistens klar kommt im Leben und mit den Frauen sowieso. Beide philosophieren gern vor sich hin oder kennen jemanden, der gern vor sich hin philosophiert. Mitunter ist es mühsam, weil die Sache zäh und trudelnd bleibt, statt abzuheben.

Wäre der Autor kein international bekannter Tenor, hätte seine Biografie nicht so viel Ähnlichkeit mit der Geschichte seiner Hauptperson und wäre es nicht der renommierte Rowohlt Verlag, der einen lukrativen Namen verlegen wollte – dann wäre das Ganze noch halbwegs zu verschmerzen. Für so liebevoll und auch tragisch verunglückte Manuskripte wie dieses gäbe es schlimmstenfalls immer noch den Branchenplattmacher Amazon, bei dem jeder seine Texte veröffentlichen darf.

Die leise Tragik, die „Kunststücke“ umweht wie ein Trauerkloßflor, ist diese: Rolando Villazón, der Rolando Villazón, der Gutelaune-Tenor aus dem Fernsehen, möchte gern wirklich gut schreiben können. Er liest seit früher Jugend, und beileibe nicht nur flache Flughafenschmöker, er ist – erst recht verglichen mit dem gängigen, blöden Dummbatz-Klischee über Operntenöre – auch in dieser Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Ein sympathischer Kerl ist er, obwohl beim besten Willen nicht zu verstehen ist, dass er immer wieder durch die scheußlichsten Spielshows von ARD und ZDF turnt und sich dort zum Deppen macht, der er nun wirklich nicht ist oder sein müsste. Seine Stimmkrisen haben ihn gezeichnet, seine Karriere hatte Knicks.

Villazóns nicht immer glückliche Suche nach neuem Repertoire und anderen Betätigungsfeldern (ob nun Opernregie an großen Häusern oder Benefiz-Aktionen) lässt ihn von Gelegenheit zu Gelegenheit vagabundieren. Und, tja, nun schreibt er auch noch.

Schreibt kunstvoll verschachtelt, mit etlichen Andeutungen und Anspielungen auf seine Lieblingslektüren und seine Ängste, auf Einsamkeit, Schmerz, auf Rimbauds Gedichte und Perecs „Das Leben. Gebrauchsanweisung“. Das offensichtliche Winken mit dem Fahnenmast in Richtung Klassik verkneift sich Villazón zwar: einmal ein Tenor, der aus einem Arztzimmer kommt, einmal die Anmerkung, in der Oper gäbe es nur schreiende Kinder. Doch eher früher als später nerven die vielen Verweise auf Philosophen, es nervt auch, dass die Geschichte zu sehr um ihre vielen Schwurbelstellen herumtänzelt. Überkonstruiert wirkt das, viel zu gut gemeint. Sogar die geschmäcklerische Einteilung in Triaden und das lesekreisliebliche Layout für die Kapitelabschnitte nerven irgendwann, weil eine schmerzhaft unangenehme Frage unbeantwortet bleibt: Warum?

Rolando Villazón „Kunststücke“ 272 Seiten, 19,95 Euro. Rowohlt. Lesung: 1.10., Laeiszhalle, Kleiner Saal, moderiert von Wolfgang Herles im Rahmen des Harbour Front Festivals. Karten (15 bis 23 Euro) unter T. 0180/6015730.