Valeria Sampaolo, Direktorin des Archäologischen Nationalmuseums, über die kommende Pompeji-Ausstellung im Bucerius Kunst Forum

Neapel. Seit 2008 wird das Museo Archeologico Nazionale in Neapel von Valeria Sampaolo als Direktorin geleitet. Die Archäologin, die als eine der besten Kennerinnen der römischen Wandmalerei gilt, ist gemeinsam mit Andreas Hoffmann Kuratorin der Ausstellung „Pompeji. Götter, Mythen, Menschen“, die von Sonnabend an im Bucerius Kunst Forum zu sehen ist. Wir trafen sie in Neapel, wo die rund 2000 Jahre alten Fresken für den Transport nach Hamburg vorbereitet wurden.

Hamburger Abendblatt:

Frau Sampaolo, für die Ausstellung geben Sie 84 unersetzliche antike Kunstwerke außer Haus, können Sie noch ruhig schlafen?

Valeria Sampaolo:

O doch, in Italien würde man sagen: Ich schlafe auf Kissen aus weichen Daunen. Es hat schon bei einer früheren Ausstellung eine Zusammenarbeit zwischen unserem Museum und dem Bucerius Kunst Forum gegeben. Ich kenne die Ausstellungsräume und die Situation in Hamburg, wo ich im Frühjahr an dem vorbereitenden Fachsymposium teilgenommen habe. Schwieriger sind Ausstellungen, die in weiter entfernten Ländern stattfinden und wo die Werke zum Beispiel beim Zoll aufgehalten und blockiert werden könnten. Manchmal gibt es auch Schwierigkeiten mit nicht rechtzeitig eintreffenden Transporten und unzureichenden konservatorischen und technischen Bedingungen. In solchen Fällen schlafe ich dann tatsächlich bis zur Rückkehr der Leihgaben recht unruhig. Aber alle diese Probleme sind jetzt ausgeschlossen, denn ich weiß die Werke in besten Händen.

Im Mittelpunkt der Hamburger Ausstellung steht die Casa del Citarista, das Haus des Kitharspielers, dessen Grundfläche im Pompeji mit etwa 2700 Quadratmetern um ein Vielfaches größer ist als die Ausstellungsfläche, die im Bucerius Kunst Forum zur Verfügung steht. Wie gehen Sie damit um?

Sampaolo:

Es geht ja nicht um eine Rekonstruktion im Maßstab 1:1, die Ausstellung soll vielmehr einen Eindruck vermitteln. Und dafür stehen uns die originalen Kunstwerke zur Verfügung, in dem Fall Wandfresken, Mosaiken und Plastiken, aber auch Modelle. Außerdem setzten wir eine virtuelle Rekonstruktionen ein, die den Besuchern einen sehr plastischen Eindruck vom ursprünglichen Aussehen dieses Hauses und seiner Funktionen vermittelt, das bis zur Zerstörung im Jahr 79 n. Chr. zu den größten und reichsten Häusern von Pompeji gehört hat. Aber wir orientieren uns nicht an einer bunten Hollywood-Welt, sondern rekonstruieren nur das, was wir auch wissenschaftlich belegen können.

Was möchten Sie mit der Schau erreichen?

Sampaolo:

Das Ziel jeder guten Ausstellung besteht darin, einen neuen wissenschaftlichen Ertrag zu erbringen...

Aber darüber hinaus geht es doch sicher auch darum, dem Publikum, bei dem es sich ja nicht um Wissenschaftler handelt, ein Thema näherzubringen.

Sampaolo:

Je mehr man weiß, desto mehr kann man auch vermitteln. Der Zuwachs an wissenschaftlichen Kenntnissen, der sich aus der vertieften Beschäftigung mit der Casa del Citarista in Vorbereitung der Ausstellung ergeben hat, erlaubt es schließlich auch, den Besuchern ein umfassenderes und plastischeres Bild vor Augen zu führen.

Betrachten Sie die Objekte, die Sie jetzt nach Hamburg geben, auch als „Botschafter“ Ihres Hauses?

Sampaolo:

Ja, natürlich, jede Ausstellung, die wir außerhalb zeigen, ist auch eine Einladung, unser Museum in Neapel mit seinen großartigen Schätzen zu besuchen.

Wie viele Besucher haben Sie pro Jahr?

Sampaolo:

Zurzeit sind es 300.000.

Sind Sie damit zufrieden, oder hat das Haus noch mehr Potenzial?

Sampaolo:

Es gibt eine Studie des Finanz- und Kultusministeriums, die 1,2 Millionen Besucher pro Jahr für möglich hält. Aber dafür müssten alle Säle geöffnet sein, außerdem wären Investitionen in eine deutlich verbesserte Infrastruktur von Kassen, Garderoben, Vermittlungsangeboten mit Audioguides und ähnlichen Dingen notwendig.

Sie haben die Säle für die römische Wandmalerei unter thematischen Gesichtspunkten neu gestaltet. Was sind Ihre nächsten Baustellen?

Sampaolo:

Zwei aktuelle Projekte sind die Neugestaltung der ägyptischen und der epigraphischen Sammlung, wobei sich die Räume bereits jetzt in einem recht guten Zustand befinden, allerdings noch mit einer Klimatisierung versehen werden müssen. Das soll bis Ende 2015 realisiert sein. Außerdem wollen wir Bereiche im Erdgeschoss, die jetzt noch als Depot und für die Museumspädagogik genutzt werden, so umgestalten, dass dort künftig unsere Sammlung zur Skulptur in Kampanien präsentiert werden kann.

Der neue italienische Kulturminister Dario Franceschini will den Museen künftig ein höheres Maß an Selbstständigkeit einräumen. Ist das für Sie vorteilhaft?

Sampaolo:

Die großen Archäologischen Museen können künftig unabhängig von den Landesdenkmalämtern agieren. Wir hoffen, dass das nicht zum Nulltarif erledigt werden muss, sondern dass wir auch eine finanzielle Ausstattung erhalten, die den damit verbundenen zusätzlichen Aufgaben Rechnung trägt. Ein erstes Signal gibt es bereits: Künftig sollen die Erlöse aus den Eintrittskarten, die bisher an das Kulturministerium abgeführt werden mussten, in den Museen bleiben.

Haben Sie den Eindruck, dass die Regierung Renzi mit den aktuellen Maßnahmen bessere Arbeitsbedingungen für die italienischen Museen schaffen wird?

Sampaolo:

Gerade hier in Neapel haben wir im Museumsbereich immer wieder Umstrukturierungen, Zusammenfassungen, Trennungen und auch deren spätere Rücknahmen erlebt. Wie sich die jetzigen Pläne für uns auswirken, wird man sehen. Aber natürlich hoffen wir, dass sich die Dinge zum Positiven wenden.