Am Sonntag feiert der kanadische Sänger und Dichter, der seit 50 Jahren die Herzen der Frauen schwach macht, seinen 80. Geburtstag

Wird er das wirklich tun an diesem Sonntag, zur Feier seines 80. Geburtstags? Vor ungezählten Auditorien hat sich Leonard Cohen in den letzten Jahren diesen Moment ausgemalt. Eine junge Krankenschwester in Weiß und mit Baumwollstrümpfen an den Beinen wird am 21. September auf die Bühne kommen und ihm ein Silbertablett hinhalten, darauf eine Schachtel Zigaretten. Die Schachtel wird sich öffnen, wie die Pfeiler des Parthenons werden die Zigaretten aufsteigen, er wird sich eine nehmen, den Tabak am Handgelenk festklopfen und sie sich in den Mund stecken. Und dann wird die Schwester ihm Feuer geben. Wie gut wird das sein.

Sollte er sie sich nach etlichen Jahren Abstinenz tatsächlich gönnen, diese qualmende Belohnung für sein unerwartet langes, überaus bewegtes Leben, das vor sechs Jahren in ein anhaltendes Hoch der Schaffenskraft und der öffentlichen Geselligkeit eingetreten ist, dann werden zumindest die Umstände privaterer Natur sein als in Cohens Vision. Denn Leonard Cohen, der Dichtersänger aus Kanada, dessen sanfte, zu rudimentärer Gitarrenbegleitung gesungene Lieder die Herzen von Abermillionen Mädchen und Frauen seit 50 Jahren sonderbar weich und wehrlos werden lassen und über dessen Songtexten manche der reüssierenden, vor allem aber die glücklosen Eroberer dieser Herzen seitdem ebenso unerklärlich gründlich brüten, befindet sich zwar seit 2008 auf einer nur seinem amerikanischen Alter Ego Bob Dylan vergleichbaren unendlichen Tournee durch die Arenen der zivilisierten Welt. Derzeit aber hat Cohen keine Livetermine.

Wenn, dann wird er diese mythische Zigarette seines vorläufigen Triumphs über die Zeitlichkeit wohl zu Hause rauchen. Und allein. Das würde passen zu diesem Ladies’ man, dessen zärtliche Müdigkeit in der Stimme immer vielen (Frauen) gehörte. Im leisen Taumel der Inhalation des ersten Zugs nach so langer Zeit wird Cohen wieder Dank empfinden für sein vorgerücktes Alter, das ihm eine nach der anderen jene Gehirnzellen ausknipst, die für Schwermut sorgen. Jahrzehntelang konnten all die Küsse und Ekstasen der Liebe, die Gedichte und Songs, die Stunden der Meditation und des Stubefegens seine Depression nicht besiegen. Dem Alter aber ist das gelungen. Cohen ist heute ein glücklicher, alter Mann. Grandseigneur für die einen, „fauler Sack im Maßanzug“ für sich selbst.

Wenn er genug hat vom Jubel der Verehrer nach einem seiner Konzerte, die heute mehr panreligiösen Andachten ähneln, zieht es ihn in die Stille. Jikan, Schweigen, ist sein Mönchsname, den ihm sein Freund, der Zenmeister Joshu Sasaki Roshi vor 18 Jahren gab.

Schweigen – für einen Dichter die letzte Zuflucht vor den eigenen Worten. Und Cohen ist ein Dichter, weshalb auch die tapfersten und hartnäckigsten Versuche, seine Songtexte in andere Sprachen zu übertragen, Fehlschläge bleiben. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen deutscher Singer-Songwriter und Rockgrößen von Pohlmann über Cäthe bis zu Peter Maffay hat sich gerade daran versucht („Poem“, Sony). Misha G. Schoeneberg, Rio Reisers früherer Liebhaber, hat die Übertragungen geschrieben. Achtbar. Verzichtbar.

Lieber Cohen selbst auflegen, sein neues Album „Popular Problems“. Intime Musik, tiefes Geraune, Instant-Zuhause für alle, die in dieser Jahrhundertstimme sich selbst in Zungen reden hören. Und dabei still den Bildband „Almost Young“ (Schirmer/Mosel) anschauen, mit lauter Fotos des Meisters.