In 17 Hamburger Buchhandlungen lesen am heutigen Sonnabend Autoren wie Benjamin Lebert und Sven Amtsberg. Und im Literaturhaus wird gefeiert

Hamburg. Auf die Idee, kulturelle Angelegenheiten auf die späten Abend- und manchmal auch die frühen Morgenstunden zu verschieben, kamen zuletzt viele. Ist ja nicht so, dass Kunstschaffende keine Ideen hätte, was die Inszenierung ihrer Kulturgüter und die Öffnung der Institutionen in Richtung Publikum angeht.

Weil Christiane Hoffmeister, Buchhändlerin aus Niendorf, im Frühjahr 2013 darüber nachdachte, wie erfolgreich die Lange Nacht der Museen und die Lange Nacht der Theater sind, gibt es nun einen Termin mehr im Veranstaltungskalender kulturbeflissener Hanseaten: die heute stattfindende Lange Nacht der Literatur.

Es gibt viele Theater und noch mehr Museen in Hamburg. Und es gibt das Literaturhaus, das den Mittelpunkt des literarischen Lebens in dieser Stadt darstellt. Ein Literaturhaus allein macht aber noch längst keine Literaturnacht, und deshalb dachte die Literaturnacht-Erfinderin Christiane Hoffmeister von Anfang an vor allem an die vielen Buchhandlungen – es sind mehr als 70. „Ich habe alle angeschrieben, 17 machen mit“, sagt Hoffmeister.

Außer ihrer eigenen, dem Büchereck Niendorf, sind weitere seit geraumer Zeit zur Literaturversorgung der Hamburger beitragende Geschäfte an der spätabendlichen Veranstaltung beteiligt, darunter die Buchhandlung Lüders in Eimsbüttel, Der Buchladen in Neugraben, das abc Buchhaus in Hoheluft und die Buchhandlung Heymann in der Osterstraße .

Wichtigste Programmpunkte sind die Lesungen. Auch dank der Förderung durch die Kulturbehörde konnten die Buchläden Autoren wie Feridun Zaimoglu, Benjamin Lebert, Saša Stanišić, Sabine Peters, Sven Amtsberg und Marion Brasch gewinnen. Die Lesungen werden, davon ist Hoffmeister überzeugt, bei den Besuchern die Lust auf Texte wecken und die Aufmerksamkeit auf neue Autoren lenken.

Letzteres ist das Stichwort für Rainer Moritz. Den Literaturhaus-Chef holte sich Hoffmeister zur Seite, als es an die Organisation der Literaturnacht ging. Literaturveranstaltungen, sagt Moritz ganz richtig, seien sonst eher „stille Veranstaltungen“; die Lange Nacht sei nun eine ideale Gelegenheit, mit Literatur die Öffentlichkeit zu erreichen. Dem Literaturhaus selbst ist der Nachschlag der parallel an 24 Orten stattfindenden Lesungen vorbehalten: Nach dem Auftritt von Edward St. Aubyn, der seine Literaturbetriebs-Groteske „Der beste Roman des Jahres“ vorstellt, plaudert der Hausherr noch ein wenig mit Fernsehkritiker Denis Scheck über die Branche, ehe Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) der Buchhandlung Christiansen aus Ottensen den ersten Hamburger Buchhandlungspreis überreicht, an dessen Kür sich nach einem Aufruf im Abendblatt mehr als 2500 Einsender beteiligten.

Danach wird, so ist versprochen, Wein gereicht; außerdem soll getanzt werden, damit aus dem Abend auch tatsächlich eine Nacht wird. Außer den Genannten nehmen an der Veranstaltung auch die Freie Akademie der Künste, die Zentralbibliothek, der Nochtspeicher und das Literaturcafé Mathilde teil. Trotzdem ist das Fest der Literatur in erster Linie eine Sache der Buchhändler. Die sind, sagt Hoffmeister, nicht so gut untereinander vernetzt, wie es sein könnte – „da gibt es Steigerungsmöglichkeiten“. Sie klagt übrigens nicht, was das Geschäft angeht: Das Stammpublikum sei groß, man habe sich bis jetzt gegen die Online-Konkurrenz und große Buchhandelsketten behaupten können, „obwohl wir vor zehn Jahren schon schlucken mussten, als Thalia um die Ecke aufmachte“.

Buchhandlungen dürfen sich gegen Veränderungen nicht wehren: Updates des Geschäftsmodells sind durchaus nötig. Das weiß auch Hoffmeister, die in ihrem Laden E-Books verkauft und auch einen Online-Shop betreibt. Als Autor ist Rainer Moritz ein Fan der inhabergeführten Buchhandlung, in denen die treue Kundschaft – nach seinen Beobachtungen – zumindest interessiert auch zu den Lesungen geht, die beim Buchdealer der Wahl stattfinden. Bei großen Ketten wie Thalia, so Moritz, wisse man nie, wie gut eine Lesung besucht sei, „in Stadtteilbuchhandlungen kommen immer viele“. Moritz ist sowieso, wie sein 2011 erschienenes Buch über „Die schönsten Buchhandlungen Europas“ beweist, ein Mann mit großem Kenntnisstand. Er lobt die Hamburger Buchhändler im Großen und Ganzen, denn auf seinen Reisen an entlegenere Orte des Buchhandels stieß Moritz auch auf wenig zukunftsfähige Buchgeschäfte. „Nur Tradition und ein alt wirkendes Ambiente reichen nicht aus, um zu überleben“, sagt er. Hoffmeister ist pragmatisch, sie sagt, dass „online und offline sich nicht ausschließen; ich mag die Kunden im Laden, aber auch die, die auf dem E-Reader lesen“.

Mit der Zukunft der Lesekultur werden sich alle Buchhandlungen beschäftigen müssen. „Der Gemeinschaftsgedanke ist wichtig“, findet Hoffmeister. Gestärkt wird er in der Langen Nacht der Literatur – weshalb sie nach Willen von Hoffmeister und Moritz nicht nur dieses eine Mal stattfinden soll, sondern künftig öfter.