Im Debütantensalon lesen wieder acht Newcomer

Die Jugendlichen in Verena Güntners Roman „Es bringen“ sind Könige. Herrscher in ihrem Reich des Nicht-Erwachsenseins, des Unernsts, der irgendwie doch auch ein heiliger Ernst ist: Was wäre normaler, als die eigenen Wünsche und Sorgen wichtiger zu nehmen als alles andere?

Luis, 16, ist der Held in Güntners Adoleszenzroman, ein junger Kerl, für den der Begriff der Präpotenz erfunden worden ist. Luis ist ein Checker. Er hat für alles einen „Plan“, so nennt er das selbst ständig, er geht alles an, ohne je die Übersicht zu verlieren. Es geht aber ohnehin erst einmal nur ums Biertrinken und um die „Fickwetten“, die Luis mit seiner Gang veranstaltet. Die Gang wettet, dass er es nicht schafft, das jeweilige Girl flachzulegen. Luis schafft genau das aber meistens. Wette gewonnen, Finanzen aufgebessert!

Aber auch die Jugend ist in Wirklichkeit ein Drama, und deswegen geht es um viel mehr als nur das Abschleppen. Tatsächlich ist der Teenager in eine ödipale Beziehung mit seiner jungen Mutter verstrickt. Und Milan, der Älteste und Ranghöhere der Siedlungs-Clique, in der jeder im Hochhaus lebt und einen Herkunftsstolz pflegt, der jeden Gedanken an die eigene Unterprivilegiertheit verbietet – Milan ist das Vorbild, das irgendwann einen schrecklichen Verrat begeht.

Hässliche Wohnblocks, hübsche Mädchen, die Psychologie des Jungseins und die Unschuld , das Konkurrieren der Teenager, die Unsicherheit, der Narzissmus und die Selbstgefälligkeit, der Witz des Jugendslangs – all das fängt Güntner, 1978 in Ulm geboren, mit einem genauen Blick für das Wesentliche ein. Der Jury beim Klagenfurter Wettlesen gefiel ein Auszug aus dem Text: Sie bekam den Kelag-Preis.

Jetzt ist das Debüt erschienen – und Güntner mit „Es bringen“ im nächsten Literatur-Wettbewerb, als eine von acht Autoren und Autorinnen konkurriert sie um den Klaus-Michael-Kühne-Preis. Der wird traditionell im Rahmen der Debütantensalons auf dem Harbour Front Festival vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Zu den bisher Ausgezeichneten zählen unter anderem Inger-Maria Mahlke und Albrecht Selge.

Mit Per Leo und seiner Bremer Familiensaga „Flut und Boden“, die von den sehr deutschen Abgründen einer in den Nationalsozialismus verstrickten Familie erzählt, ist eine weitere Autor/Roman-Kombination vertreten, die bereits zu höheren Ehren kam: Das Debüt Per Leos war im Frühjahr für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Mit Martin Lechner liest ein Autor in Hamburg, der in seinem Erstling „Kleine Kassa“ eine kuriose Entwicklungsgeschichte mit Krimi-Plot verbindet. „Nachbarn“, das Episodenwerk von Madeleine Prahs, taucht dagegen unter anderem ein in den Kosmos der Geschichten der untypischen Freundschaft, der zuletzt in Film („Ziemlich beste Freunde“) und Buch („Ein ganzes halbes Jahr“) so gerne besucht wurde. Über den Sieger in Hamburg entscheidet eine Jury mit Literaturkritikern von „Stern“, NDR, „Zeit“, „Spiegel Online" und Hamburger Abendblatt. Sie befindet in der immer auch von Geschmacksfragen geleiteten Beurteilung der Debüts keineswegs mit wissenschaftlich exakten Methoden – aber mit Leidenschaft und Hingabe für die Sache der Literatur.

Debütantensalon Vier Abende: Per Leo und Martin Kordic, 12.9., Horst Sczerba und Urs Zürcher, 14.9., Madeleine Prahs und Verena Güntner, 16.9., Martin Lechner und Heike Kühn, 18.9.; Beginn ist jeweils 19 Uhr im Nochtspeicher. Tickets zu jeweils 10 € unter T. 30309898.