Im ARD-Drama „Stärke 6“ bekommt es eine Geologin mit Tonnen von alter Munition zu tun, die in Schweizer Seen ruht

Eine idyllische Berglandschaft irgendwo in der Schweiz, mit malerischen Seen. In einem sind zwei Taucher unterwegs: Mara Graf (Claudia Michelsen) und ihr Geliebter Gian Wyss (Lorenz Nufer). Nach einem Bergsturz haben die deutsche Geologin und der Schweizer Seismologe vom Eidgenössischen Erdbebendienst den Auftrag erhalten, am Grund des Urnersees einige Messgeräte anzubringen. Maras Luftschlauch platzt, doch Gian will nicht warten und taucht alleine. Dann erschüttert eine Druckwelle ihr Boot, panisch zieht Mara Gian an der Sicherungsleine nach oben – doch ihr Freund ist tot. Noch unter Schock stehend wird sie von Kommissar Albrecht (Pierre Siegenthaler) ziemlich rüde verhört, redet etwas wirr und gerät so schnell in Verdacht, ihren Freund vorsätzlich getötet zu haben. So weit die Ausgangslage im Film „Stärke 6“, den das Erste am Mittwoch zur besten Sendezeit zeigt.

Für die um ihren Freund trauernde Mara kommt es knüppeldick, denn niemand will an einen Unfall und ihre Unschuld glauben. Gians Großmutter Erika (Irène Fritschi) versucht ihr zwar beizustehen, doch seine Schwester Julia (Jessy Moravec) macht Mara ganz klar für den Tod ihres Bruders verantwortlich. Auch Sebastian Scherrer (Pasquale Aleardi), Hauptmann bei den Genietruppen der Schweizer Armee, (deren deutsche Entsprechung sind die Pioniere), schenkt Mara zunächst keinen Glauben. Als ihr eine Anklage wegen Totschlags droht, will er ihr schließlich doch helfen. Doch sein Vorgesetzter, Oberst Frick (Andreas Matti), verbietet ihm, an der Unglücksstelle zu tauchen. Das macht Mara dann auf eigene Faust, und sie findet schließlich scharfe Munition unweit des Ortes, an dem Gian verunglückt ist.

Darum geht es im Kern des Films – um tatsächlich auf dem Grund verschiedener Schweizer Seen liegenden 8000 Tonnen alter Munition. Eine lästige Kriegslast, die das Militär und Munitionsfabriken der Eidgenossen von den späten 40er- bis in die 60er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts „günstig entsorgt“ haben. Forscher behaupten, dass der größte Teil dieser gefährlichen Mülldeponien wenig verrostet in sauerstoffarmen Seegründen begraben liege und etwaige Schadstoffemissionen kaum messbar seien. 2012 wurde vonseiten der Politik beschlossen, dass eine Bergung des illegal verschütteten und lange vergessenen Schrotts zu gefährlich, ökologisch bedenklich und natürlich viel zu teuer wäre. Man würde die gefährliche Altlast aber regelmäßig überwachen.

Die Schweizer Regisseurin Sabine Boss, die auch schon in Hamburg als Regieassistentin am Deutschen Schauspielhaus arbeitete und deren Film „Seitensprung“, ebenfalls mit Claudia Michelsen, am 19. September in der ARD läuft, hat ein ziemlich spannendes Drama inszeniert. Dessen Hauptthema – der ungeheure Schrott-Skandal und eine drohende Katastrophe (bis hin zu einem Tsunami) – hätte schon völlig ausgereicht. Unnötigerweise aber setzt sie noch eine ziemlich abstruse Verschwörungstheorie innerhalb des Schweizer Militärs obendrauf, bei der der Übeltäter schon recht bald klar zu erkennen ist. Umso erstaunlicher, dass eine mutige Frau (von Claudia Michelsen überzeugend gespielt) es dann doch fast allein schafft, alle ihre starken Gegner auszubremsen.

„Die Geschichte von Mara erinnert mich ein wenig an ‚Erin Brokovich‘: Eine Frau, die gar nicht weiß wie ihr geschieht, die von einem Moment auf den anderen ihren Mann verliert, sich mutig verteidigt, dabei über ihre Kräfte hinauswächst und obendrein in ein Politikum des Schweizer Militärs verwickelt wird“, sagt Claudia Michelsen über Mara Graf. Die Rolle der Anwältin, die es mit einem Konzern aufnimmt, hat Michelsen zwar nicht gespielt, mit starken Frauen kennt sie sich dennoch aus: In der Verfilmung von Uwe Tellkamps „Der Turm“ spielte sie Richard Hoffmanns Frau Anne, wurde dafür unter anderem mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet und war die Kommissariatsleiterin in der Serie „Flemming“. Und im Herbst 2013 übernahm sie zusammen mit Sylvester Groth die Nachfolge von Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler im „Polizeiruf 110“.

Mara Graf hat es am Ende des Films geschafft, doch wirklich aufatmen kann man nicht, die reale Gefahr in den malerisch daliegenden Seen bleibt. Möge den Schweizern ein Erd- oder Seebeben erspart bleiben, vor allem eines der „Stärke 6“.

„Stärke 6“, 20.15 Uhr, ARD