Stiftung-Hamburg-Vorstand Börries von Notz über Aufbruchstimmung, hauseigene Restaurants und Shops sowie die Stärkung des maritimen Profils

Hamburg . Seit ihrer Gründung im Jahr 2008 hat die Stiftung Hamburg, zu der das Hamburg Museum, das Altonaer Museum und das Museum der Arbeit mit ihren jeweiligen Außenstellen gehören, kein klares Profil gefunden. Daher verbinden sich große Erwartungen mit dem Juristen Börries von Notz, der nach mehrfachem Wechsel an der Spitze am 1. Februar sein Amt als Alleinvorstand angetreten hat. Im Interview zieht der 41 Jahre alte Jurist und Staatswissenschaftler, der zuletzt beim Jüdischen Museum in Berlin Geschäftsführender Direktor war, erstmalig Bilanz.

Hamburger Abendblatt: Herr von Notz, können Sie sich noch an Ihren ersten Museumsbesuch in Hamburg erinnern?
Börries von Notz: Ich war zehn oder elf Jahre alt, als meine Eltern mit mir nach Hamburg fuhren und mir das Museum für Kunst und Gewerbe zeigten. Das hat mich damals sehr beeindruckt.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie 2010 von der geplanten Schließung des Altonaer Museums hörten?
von Notz: Für mich war das damals der Ausdruck einer Krise, in der sich viele stadthistorische Museen befunden haben, deren Profil sich nicht mehr so leicht erkennen ließ. Andererseits zeigte die Protestbewegung, die die Schließung schließlich auch verhindert hat, wie identitätsstiftend solche Institutionen für die Stadtbevölkerung sein können.

Seit Februar sind Sie Alleinvorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg. Wäre es falsch, Sie als Generaldirektor zu bezeichnen?
von Notz: Der Begriff Generaldirektor ist im Stiftungsbereich kaum üblich. Dort gibt es andere Bezeichnungen, zum Beispiel die des Präsidenten. Ich bin aber mit dem Alleinvorstand sehr zufrieden, auch weil er Zuständigkeit und Aufgabenbereich deutlich beschreibt.

Hat man Sie mit offenen Armen empfangen?
von Notz: Ja, sowohl allgemein in der Stadt, als auch in den Museen, die zu unserer Stiftung gehören. Ich habe mich von Anfang in Hamburg wohlgefühlt.

Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler hat in einem Abendblatt-Interview einmal gesagt, bei der Person, die künftig an der Spitze der Stiftung steht, müsse es sich um eine „eierlegende Wollmilchsau“ handeln. Erfüllen Sie dieses schwierige Aufgabenprofil?
von Notz: Die Aufgabe ist wirklich komplex, mir geht es besonders darum, bei den Mitarbeitern der Stiftung ein Gefühl für die Gemeinsamkeiten zu wecken.

Sehen Sie Ihre Aufgabe vor allem darin zu koordinieren und zu moderieren, oder geben Sie eine gemeinsame Richtung für alle Häuser vor?
von Notz: Sowohl als auch. Mir ist einerseits wichtig, das Profil der drei Museen, die ja eine jeweils ganz eigene Geschichte, eigene Sammlungen und eigene Aufgaben haben, zu entwickeln. Andererseits geht es mir schon darum, gemeinsame Aufgaben zu formulieren und die Mitarbeiter zu motivieren, sie gemeinsam wahrzunehmen.

Seit der Gründung der Stiftung, die 2008 ziemlich übers Knie gebrochen wurde, ist in der Öffentlichkeit noch immer nicht so richtig klar, was dieser Zusammenschluss eigentlich bedeutet. Sind es drei Museen unter einem Dach? Oder ist es ein gemeinsames Museum mit drei Häusern?
von Notz: Die drei Museen sind in einer gemeinsamen Organisation vereint. Dadurch wird es möglich, zahlreiche Aufgaben gemeinsam wahrzunehmen. Das fängt bei der Sammlungsverwaltung an, betrifft aber auch zahlreiche weitere Bereiche, vom Depot über die Restaurierung bis hin zu inhaltlichen Fragestellungen. Das Problem bei der Gründung war meiner Meinung nach die Annahme, mit der Wahl der Rechtsform Stiftung allein vorhandene Probleme lösen zu können. Die Rechtsform Stiftung ist aber lediglich ein Werkzeug, das es der Institution Historische Museen Hamburg erlaubt, in großer Freiheit und Eigenverantwortung zu agieren und dabei eine Organisation zu entwickeln, die es ermöglicht, die Potenziale zu nutzen.

In den ersten Jahren der Stiftung herrschte unter den Mitarbeitern überwiegend Frust. Spüren Sie jetzt eine Aufbruchstimmung?
von Notz: Die Stimmung hat sich positiv verändert. Die meisten Mitarbeiter schauen nicht mehr zurück auf alte Auseinandersetzungen und Konflikte, sondern setzen sich mit großem Engagement für die Zukunft ein. Das wird sicher auch durch die Neubesetzung der meisten Leitungsposten begünstigt. In letzter Zeit wurden ja auch die Direktorenposten des Altonaer Museums mit Hans-Jörg Czech und des Museums der Arbeit mit Rita Müller neu besetzt.

In ihrer Frühzeit kündigte die Stiftung eine gemeinsame Ausstellung „mit überregionaler Bedeutung“ an, Arbeitstitel „Der Norden“. Später hat man nie wieder etwas davon gehört. Was halten Sie von solchen Ideen?
von Notz: Ich werde meine Mitarbeiter durchaus dazu motivieren, Ausstellungsideen zu realisieren, die nicht nur für Hamburg, sondern auch weit darüber hinaus interessant und wichtig sind. Das ist anspruchsvoll, andererseits haben unsere Sammlungen eine so große Qualität, dass sich Ausstellungen entwickeln lassen, die nicht nur von der überregionalen Presse wahrgenommen werden, sondern auch auswärtigen Publikum anziehen. Das werden auch gemeinsame Ausstellungen aller drei Museen sein oder, wenn Sie so wollen, eine Ausstellung der Stiftung, entweder in allen drei Häusern oder an nur einem Ort.

Die jahrelang ungelöste Depotfrage wird durch den Senatsbeschluss zur Anmietung von Lagerflächen in Stellingen und die Bereitstellung der dafür notwendigen Haushaltsmittel gelöst. Wo sehen Sie die größten Baustellen der Stiftung?
von Notz: Die so wichtige Lösung der Depotfrage ist mir ja kurz nach meinem Amtsantritt sozusagen in den Schoß gefallen. Aber es gibt noch zahlreiche weitere Aufgaben, die in absehbarer Zeit dringend gelöst werden müssen. Besonders wichtig ist es, die Aufenthaltsqualität in unseren Häusern zu erhöhen. Dazu gehört zum Beispiel für das Altonaer Museum die Einrichtung eines attraktiven Museumsrestaurants. Im Hamburg Museum muss es darum gehen, den Eingangsbereich so umzugestalten, dass sich die Besucher tatsächlich willkommen fühlen. Dazu gehört auch die Neugestaltung des Museumsshops. Besonders glücklich bin darüber, dass der Bundestags-Haushaltsausschuss 4,2 Millionen Euro – und zwar ohne städtische Kofinanzierung – für die denkmalgerechte Sanierung des historischen Torhauses des Museums der Arbeit zur Verfügung gestellt hat. Es wird zum musealen Druck- und Medienhaus umgebaut, auch hier werden wir die Museumsgastronomie verbessern.

Einige Experten empfehlen der Hamburger Museumsszene, ihr maritimes Profil zu stärken. Sehen Sie das auch so?
von Notz: Ja, denn die Erwartung vieler Hamburg-Besucher ist vor allem auf drei Dinge gerichtet: Hafen, Pfeffersäcke, Störtebeker. Um diesen Bedürfnissen auch Rechnung zu tragen, sollte es einen zentralen Anlaufpunkt zum Thema Hafen geben.

Könnte das nicht das Hafenmuseum werden, das als Außenstelle des Museums der Arbeit zu Ihrer Stiftung gehört?
von Notz: Das Hafenmuseum spielt schon jetzt eine wichtige Rolle, vor allem was die soziokulturelle Bedeutung des Hafens betrifft. Aber es eignet sich auch, wichtige gesellschaftliche Entwicklungen aufzuzeigen. Ich denke da an die vielfältigen ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer globalisierten Wirtschaft.

Können Sie sich Kooperationen über die Stiftung hinaus vorstellen?
von Notz: Schon jetzt arbeiten wir auf unterschiedlichen Feldern mit Hamburger Museen zusammen. Kooperationen kann ich mir aber darüber hinaus auch mit Häusern der Metropolregion und überhaupt im norddeutschen Raum vorstellen – von Lüneburg bis hin zu Schloss Gottorf in Schleswig.

Helmut Schmidt schickt Visionäre bekanntlich zum Arzt, haben Sie trotzdem eine Vision für die Stiftung Historische Museen Hamburg?
von Notz: Ich nenne es besser nicht Vision, sondern lieber Ziel. Und das sehe ich darin, die Bedeutung unserer Stiftung deutlich zu erhöhen. Ich möchte, dass die Stiftung im öffentlichen Bewusstsein noch viel stärker als eine Stimme wahrgenommen wird, die wichtige und bedenkenswerte Anstöße zur Geschichte und Kultur unserer Gesellschaft gibt. Hierbei soll die Stiftung auch für die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen eine Plattform sein, damit das erstaunliche Wissen und Engagement der Menschen eingebunden wird, sei dies bei der klassischen Museumsbegegnung oder auf der Website der Historischen Museen Hamburg.