„Hypnotic Eye“ sei das beste Album, das Tom Petty seit langer Zeit aufgenommen hat. Das sagt zumindest unser Redaktionsmitglied Heinrich Oehmsen.

Tom Petty zählt zu den wichtigsten amerikanischen Rockmusikern. Sein Album „Damn The Torpedos“, 1979 erschienen, ist ein Meilenstein des Classic Rock, über die Jahre hinweg hat Petty mit seinen Heartbreakers weitere großartige Platten veröffentlicht, er war Teil der Supergruppe The Traveling Wilburys, doch niemals hat er es in den US-Charts auf Platz eins geschafft.

Jetzt, mit immerhin schon 63 Jahren, feiert er auf seine alten Tage die erste Topplatzierung mit seinem Album „Hypnotic Eye“. Besonders überraschend ist das nicht, denn die Rockmusiker, die in den 60er- und 70er-Jahren die Szene betreten haben, erfreuen sich gerade enormer Beliebtheit, zudem ist „Hypnotic Eye“ das beste Album, das Petty seit langer Zeit aufgenommen hat. Es ist deutlich härter als der Blues-orientierte Vorgänger „Mojo“ aus dem Jahr 2010.

„Tom Petty singt auf den neuen Songs wie auf dem ersten Heartsbreakers-Album. Es ist dieselbe Beseeltheit zu spüren wie damals“, sagt Mike Campbell. Er muss es wissen, denn Campbell ist von Anfang an als Sologitarrist bei den Heartbreakers dabei und auch bei der Vorgänger-Combo Mudscrutch musizierte er schon Seite an Seite mit Petty. Der 64 Jahre alte Virtuose trägt mit seinen kurzen und prägnanten Soli eine Menge zur Qualität von „Hypnotic Eye“ bei. In fast jeder Nummer darf Campbell zeigen, dass er zu den besten Rockgitarristen Amerikas gehört, er ist ein Meister des eingängigen Riffs, aber auch der Improvisation. Und Campbell ist seit vier Jahrzehnten ein treuer Begleiter seines Bandleaders: „Es ist immer noch spannend zu erleben, wohin sich Toms Songs entwickeln. Seine Kreativität ist außergewöhnlich, und das ist der Grund, warum ich immer noch gerne mit ihm zusammenspiele.“

Mehr als drei Jahre hat es gedauert, bis das 16. Album im Kasten war. Die ersten Aufnahmen datieren vom August 2011, als letzte Nummer wurde „U Get Me High“ im Januar 2014 aufgenommen. Aber wenn man sich nichts mehr beweisen muss, so wie der blonde US-Musiker, kann man in aller Ruhe und Gelassenheit an neuen Songs arbeiten. „U Get Me High“ stammt übrigens aus einer früheren Phase der Heartbreakers. Es war bei den Aufnahmen zum „Wildflowers“-Album aus dem Jahr 1994 übrig geblieben. Petty fand das Demo in seinem Archiv und brachte es zu einer Session mit. Aufgenommen haben die sechs Musiker die Lieder in Pettys privatem Studio in Malibu/Kalifornien und im Proberaum der Heartbreakers in Hollywood.

Schon auf früheren Alben ist Petty immer ein genauer Beobachter der gesellschaftlichen Zustände in den USA gewesen, auf „Hypnotic Eye“ gibt es eine Reihe von pessimistischen Nummern wie „American Dream Plan B“, „Burnt Out Town“ oder „Shadow People“. Der „Plan B des amerikanischen Traums“ klingt wenig verlockend, an das in der US-Verfassung verankerte Streben nach Glück glauben nur noch naive Dummköpfe. Wenn Petty singt „I’m gonna fight til I get it“ klingt das bedrohlich, denn Kampf bedeutet in den USA meistens Waffengewalt. Diesen Gedanken hat er in einer Zeile von „Shadow People“ aufgeschrieben. Darin beschreibt er einen Amerikaner mit einer Waffe so: „And he’s scary as hell / Cause when he’s afraid / He’ll destroy everything he don’t understand“ (Er ist furchteinflößend wie die Hölle / denn wenn er sich fürchtet / zerstört er alles, was er nicht versteht).

Der Blues „Burnt Out Town“ schließlich malt ein düsteres Endzeit-Szenario, ähnlich wie in Cormac McCarthys Roman „Die Straße“. Die Hauptstraßen sind mit Asche übersät, Benzin ist Mangelware, Mobilität und Flucht damit unmöglich, ein bisschen Leben gibt es noch in dieser heruntergebrannten Stadt, aber sie ist kurz davor, zur Geisterstadt zu werden.

Auch musikalisch klingen viele Nummern krasser, als man es von Tom Petty und den Heartbreakers gewohnt ist. Bei „American Dream Plan B“ zum Beispiel wird der Klang des Basses von Ron Blair durch ein Effektgerät geräuschvoller gemacht, Campbell setzt oft das Wah-Wah-Pedal ein, auch Rückkoppelungen sorgen dafür, dass die Band nicht zu sauber klingt. Pettys Gesang ist knurriger als auf den Vorgänger-Alben. Jeder der Songs verfügt über eine Menge Muskelmasse, Petty und die Heartbreakers brauchen sich mit diesem Album nicht hinter Neil Youngs Crazy Horse oder Bruce Springsteen E-Street-Band zu verstecken.

Vor zwei Jahren war Petty zuletzt auf Tournee in Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass er sich zu einer neuen Tournee entschließt, denn diese neuen Songs möchte man gerne live erleben. Und zwar jeden Einzelnen!

Tom Petty & The Heartbreakers: „Hypnotic Eye“ (Reprise/Warner)