Kein türkischer Schauspieler will Mordopfer Hrant Dink darstellen

Istanbul. Der in Hamburg lebende deutsch-türkische Erfolgsregisseur Fatih Akin hat eine Filmproduktion über das Schicksal des ermordeten armenischen Journalisten Hrant Dink abgesagt – weil er nach eigenem Bekunden keinen türkischen Hauptdarsteller finden konnte. Das fertige Drehbuch sei von allen angefragten Mimen als „zu drastisch“ kritisiert worden, sagte Akin der türkisch-armenischen Wochenzeitung „Agos“, deren Mitbegründer und Herausgeber Dink war. Einen nicht weniger konfliktträchtigen Leinwandstreifen hat Akin bereits abgedreht: „The Cut“ handelt vom Massenmord an den Armeniern unter der Herrschaft des Osmanischen Reichs im Ersten Weltkrieg. Das Drama erlebt seine Weltpremiere bei den Filmfestspielen von Venedig, seine Deutschlandpremiere feiert „The Cut“ Ende September im Rahmen des Hamburger Filmfestes, wenn Fatih Akin der Douglas-Sirk-Preis verliehen wird. Deutscher Kinostart ist am 16. Oktober.

Hrant Dink war am 19. Januar 2007 am helllichtem Tage von einem jugendlichen Rechtsnationalisten vor dem „Agos“-Redaktionssitz in Istanbul erschossen worden. Der Journalist galt unter Nationalisten als verhasst, weil er dafür eintrat, die türkischen Massaker an den Armeniern als Völkermord anzuerkennen. Die Regierung in Ankara vermeidet die offizielle Einstufung als Genozid bis heute. Dinks Familie geht davon aus, dass der türkische Staat in den weltweit beachteten Mordfall verwickelt war.

„Es wäre wichtig gewesen, einen ‚türkischen Film‘ über Hrant zu drehen“, sagte Akin in dem „Agos“-Interview. „Ein amerikanischer oder französischer Schauspieler könnte Hrant nicht darstellen.“ Die Türken müssten sich „mit dieser Sache selbst auseinandersetzen“, aber „offensichtlich ist die Zeit noch nicht reif dafür“.

Für einen Film wie „The Cut“ sei die Türkei dagegen bereit, fuhr Fatih Akin fort. Das Drama erzählt die Geschichte des armenischen Schmieds Nazaret (gespielt von Tahar Rahim), der das Massaker während des Ersten Weltkrieges überlebte und schließlich zu einer Weltreise aufbrach, um seine Tochter zu finden.