In der Dokumentation „Countdown mit Nora Tschirner“ ist die Moderatorin und Schauspielerin als Musikerin zu erleben. Fans und Paparazzo inklusive

Hamburg. Sophie Marceau heben sie sich natürlich bis fast ganz zum Schluss auf. Das schwärmerische Lied über die französische Schauspielerin ist für die Berliner Band Prag fast so etwas wie ein Hit geworden, dabei haben sie selbst jemanden in ihren Reihen, über die man Songs schreiben könnte. Nora Tschirner hat Prag mit ihrem Schulfreund Erik Lautenschläger und dem Produzenten Tom Krimi gegründet. Die Dokumentation „Countdown mit Nora Tschirner“ begleitet sie und ihre Mitmusiker vor einem Auftritt in der Location Heimathafen in Berlin-Neukölln.

Nichts funktioniert am Anfang dieses Films. Tonmann Ben steht kurz vor einem Nervenzusammenbruch, weil am Mischpult nicht die Signale ankommen, die er braucht, um die Show zu steuern. Davon merken die Musiker hinter der Bühne nichts. Nora Tschirner erzählt ziemlich unaufgeregt, dass es ein Jugendtraum von ihr gewesen sei, Musik zu machen. Bekannt geworden ist sie dann aber doch als Schauspielerin. Den Höhepunkt ihrer Popularität erreichte sie bisher dadurch, dass sie in den romantischen Komödien „Keinohrhasen“ und „Zweiohrküken“ Til Schweiger erfolgreich die Stirn bot. Vorher hat sie ihre schmollig-trotzig-selbstbewusste Art in Filmen wie „Kebab Connection“ und „FC Venus“ sowie auf der Bühne in der Schauspielhaus-Produktion von „Trainspotting“ in Szene gesetzt. Im Fernsehen arbeitete sie als VJ und Moderatorin für den Musiksender MTV.

Der 45 Minuten lange Film beginnt sinnigerweise eine Dreiviertelstunde vor dem Konzertbeginn und zählt dann die Minuten herunter. Bei den Musikern geht es zunächst einmal um Stimmungen. „Positiv niedrig“ sei ihre Erwartungshaltung, stapelt Tschirner tief und macht einen strategischen Vorschlag, den sie später nicht einzulösen braucht: „Wenn sie anti sind, spielen wir mit dem Rücken zum Publikum.“ Aber werden sie überhaupt spielen können? Bei Ben klappt immer noch nichts, er ist völlig aus dem Häuschen.

Der Film der Berliner Regisseurin Keti Vaitonis, die für ihre Dokumentation „Adoption“ für den Grimme-Preis nominiert war, erzählt noch eine weitere Geschichte. Ein Fotograf möchte unbedingt ein Foto der Sängerin mit Babybauch machen. Tschirner ist beim Dreh im Frühsommer 2013 im neunten Monat schwanger, geht damit aber recht locker um. Der Fotograf ist ein eitler Paparazzo mit Eurozeichen in den Augen, der alles „mega“ findet und angesichts der Interview-Situation denkt, er müsse erzählen, wen er wann und wo schon für welches Medium fotografiert hat. Was für ein Angeber! Mittlerweile herrscht in Tschirners Garderobe das reine Chaos, aber dahinter scheint System zu stecken. Der Kamm ist weg, aber Lidschatten und Kajal sind da. Das ist wichtig, denn sie möchte nicht „ungeschützt“ vor ihr Publikum treten, sondern „in Kriegsbemalung“.

Der Taxifahrer, der den Fotografen zur Show fährt, outet sich als „kleiner Fan“, als er hört, dass es um Tschirner geht, befragt seinen Fahrgast aber kritisch zu seinem Beruf. Der murmelt etwas von Pressefreiheit, Personen von öffentlichem Interesse und überlegt, welche Promis wohl zum Konzert kommen: Til Schweiger? Jürgen Vogel?

Noch ein Akteur kommt ins Spiel, ein Fan, der schon bei einem der frühen Konzerte von Prag dabei war. Bei einer Autogrammstunde in einem Mediamarkt hat er sich Autogramme der Musiker geholt, die er stolz vorzeigt. Jetzt will er unbedingt in der ersten Reihe stehen und den Musikern LPs schenken, die er sorgfältig für sie aussucht.

Mittlerweile sind die Tonprobleme gelöst und die Band macht einen kurzen Soundcheck. Zurück hinter der Bühne suchen die Jungs ihre Anzüge für den Auftritt heraus und bügeln ihre Oberhemden. Tschirner hat die Haare hochgesteckt, erzählt von Begegnungen mit Fans, die nicht immer angenehm verlaufen. Und dann geht alles ziemlich schnell. Der Trockeneisnebel beginnt zu wabern. Der Fan steht in der ersten Reihe, der Fotograf macht das Babybauchfoto. „Wir alle waren so/verliebt in Sophie Marceau“, schwärmt Prag wenig später ins Mikrofon.

Wer verliebt ist in Nora Tschirner, dem kann nicht nur mit dieser kurzweiligen Dokumentation ein bisschen geholfen werden. Die Schauspielerin und Musikerin dreht zurzeit gerade mit Christian Ulmen eine neue Folge vom „Tatort“ aus Weimar. Das ZDF zeigt sie außerdem am kommenden Donnerstag im Kinofilm „Offroad“. Diesmal sogar zur zivilen Zeit um 20.15 Uhr, während „Countdown mit Nora Tschirner“ erst um 0.20 Uhr gesendet wird. Ziemlich unklug, eine so populäre Schauspielerin auf einem so unpopulären Sendeplatz zu verstecken. Doch es gibt ja die Möglichkeit, die Dokumentation in der Mediathek nachzuerleben.

„Countdown mit Nora Tschirner“ Mo, 0.20 Uhr, ZDF