Dichterin, Rapperin, Moderatorin: Nina „Fiva“ Sonnenberg hat viele Talente

Hamburg. Von engagierten Mitbürgerinnen sagt man gern: Sie ist eine Frau, die weiß, was sie will. Auf Nina Sonnenberg trifft das so nicht zu. „Ich weiß immer ganz genau, was ich nicht will. Mit dem, was ich will, tue ich mich schwerer“, sagt sie. Mit dieser indirekten Zielstrebigkeit hat sie es ziemlich weit gebracht. Sie ist bei Poetry-Slams aktiv, hat gerade ihr fünftes Album als Rapperin herausgebracht und moderiert an den kommenden fünf Sonnabenden auf 3sat die Reportagereihe „Theater: Ein Fest“.

Nina Sonnenberg ist sehr temperamentvoll, fast quecksilbrig. Es sei ein kleines Wunder, dass wir uns im Studio des NDR-Hörfunks zusammensetzen können, erzählt sie. Sie habe verschlafen, sei dann hochgeschreckt, einmal durch die Dusche gelaufen, habe den Taxifahrer angetrieben, die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu ignorieren, sich dann auf dem Münchner Flughafen in die falsche Schlange für den Flug nach Berlin eingereiht – und es doch gerade so eben noch geschafft. Wie sie das gestenreich erzählt, erinnert sie ein bisschen an Hammy, das hyperaktive Eichhörnchen aus dem Kinospaß „Ab durch die Hecke“.

Aber letztlich bleibt ihre Konfusion ein Luxusproblem, denn Sonnenberg ist zweifellos eine vielseitige Frau, diszipliniert, begeisterungsfähig, „dafür aber nicht so zynisch und ironisch“. Sie hat eine Ausbildung zur Verlagskauffrau gemacht und Soziologie studiert, so richtig mit Diplom. Wie viele Rapper können das schon von sich behaupten? Sie ist durchaus stolz auf das Erreichte: „Wenn man so einen wie den Soziologen Niklas Luhmann verstanden hat, macht es einen selbstbewusst, auch in Diskussionen. Ich habe einen besseren Wortschatz bekommen, kenne mich mit Statistik aus, bin also nicht mehr so leicht zu betrügen. Das hat mir tolle Werkzeuge gegeben, um besser durchs Leben zu kommen.“

Die 35-Jährige, die sich als Rapperin „Fiva“ nennt, sieht sich durchaus als bunten Vogel in der Branche. „Eine Frau, die rappt, das ist schon mal komisch. Meine Texte sind nicht so aggressiv wie das, was man kennt. Sie haben nichts nichts mit Getto und Wut zu tun. Ich ziehe mich auch nicht besonders sexy an und komme nicht mal aus Berlin.“

Ihren ersten Vertrag bekam Nina Sonnenberg beim Hamburger Label Buback. Später gründete sie ihr eigenes Label Kopfhörer Recordings. Sie hat eine Liebe zur Sprache entwickelt, die man ihren Texten anmerkt. Auf dem Album „Die Stadt gehört mir“ verarbeitet sie im Titelsong eine Trennung. Lakonisch ruft sie ihrem Ex-Lover hinterher: „Du kannst die Katze behalten, doch die Stadt gehört mir!“

Sie hat ein eigenes System entwickelt, das ihre Texte entstehen lässt. „Die Disziplin, einen Satz aufzuschreiben, muss immer da sein, auch nachts. Ich habe schon ein paar Zeilen verloren, und das ärgert mich. Das Ausarbeiten der Ideen beginnt immer erst ab 21 Uhr und dann die Nacht durch. Ich kann leider nur nachts schreiben, denn da passiert nichts, und ich habe doch so viel Angst, etwas zu verpassen. Dabei weiß ich nicht einmal, was.“ Früher hatte sie immer wieder Angst vor einer Schreibblockade. Die hat sie aber inzwischen überwunden. „Mittlerweile weiß ich, dass es nur damit zu tun hat, ob ich etwas zulasse. Ich weiß einfach, dass ich das kann.“

Das neue Album heißt „Alles leuchtet“ und schlägt mit seinen 14 Songs einen Bogen vom „Morgengrau“ bis zum „Abendrot“. Am 23. September wird sie es in der Prinzenbar vorstellen. „Live-Auftritte brauche ich unbedingt“, bekennt sie.

Vorher widmet sie sich aber noch ihrer anderen Liebe, dem Theater. Sie moderiert auf 3sat die Reportagereihe „Theater: Ein Fest!“ und bereist dafür europaweit Theaterfestivals. Schon mit ihrer Moderation des Magazins „zdf.kulturpalast“ war sie für den Grimme-Preis nominiert.

Eine Theaterkrise kann sie beim besten Willen nicht erkennen. Die Festivals, die sie besucht, seien oft enorm gut besucht. „Die Leute lieben die Off-Stücke von She She Pop bis Gob Squad. Beim Theater der Welt in Mannheim hatten wir vor Kurzem eine brasilianische Produktion. Keiner kannte sie, es ging zu ganz wilder Musik um Breakdance. 750 zahlende Zuschauer waren im Theater. Da muss man mir doch nichts von Subventionen erzählen!“ Gerade junge und aufgeschlossene Menschen würden sich besonders für die Off- und die Performance-Szene interessieren.

An diesem Sonnabend hat sie ein Heimspiel im Münchner Volkstheater. Dort läuft eine Woche lang das Festival „Radikal jung“, zu dem 13 Inszenierungen bemerkenswerter Regisseure geladen wurden, die noch neu im Geschäft sind. Die meisten der jungen Wilden integrieren Tanz und Musik in ihre Stücke. Die Moderatorin untersucht natürlich auch, ob das Festival seinem Titel entspricht.

Den Spagat zwischen all ihren Talenten würde sich Nina Sonnenberg gern noch ein paar Jahre lang leisten. Gibt es auch etwas, wovon sie lieber die Finger lässt? „Boulevard-Magazine. Das würde mir kein Mensch glauben. Man sieht mir nach drei Minuten an, wenn ich etwas blöd finde. Ich bin wirklich eine ganz schlechte Lügnerin.“ Dabei spricht sie diesem Fernsehgenre durchaus seine Berechtigung zu. „Ich kann hervorragend dabei einschlafen. Aber das sollen andere machen. Wenn jeder machen würde, was er wirklich kann: Die Welt würde fantastisch ausschauen. Aber das wird wohl nicht gehen.“

„Theater: Ein Fest!“ Sa, 19.30 Uhr, 3sat

Konzert: 23.9., Prinzenbar