Vera Altrock Mit dem Buch „Der kleine Prinz“ verbindet mich eine ganz besondere Beziehung, nämlich gar keine. Und genau das wurde mir als Oberstufenschülerin zum Verhängnis. Ebenso wie „Die Buddenbrooks“ oder „Die Blechtrommel“ gehörte das „moderne Märchen“ von Antoine de Saint-Exupéry zum Standard-Repertoire unseres Französisch-Leistungskurses. Mehr noch: Es war eines der Lieblingswerke meines Lehrers Volkert Ipsen – übrigens mein Lieblingslehrer am Carl-Jacob-Burckhardt-Gymnasium in Lübeck wegen seiner an sich sehr geschmackssicheren Auswahl an Unterrichtsmaterial.

Normalerweise lasen wir Marcel Proust oder diskutierten Essays aus der „Marie Claire“. Und nun „Der kleine Prinz“. Als Klausurthema. Ein Junge, der sich mit einer Blume streitet und dann beschließt, in die Welt hinauszuziehen, um nach wahrer Freundschaft zu suchen. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ – die zentrale Aussage des Buches empfand ich als Plattitüde. Meine Arbeit wurde ein Verriss, dementsprechend desaströs benotet (Lieblingsbuch des Lehrers!). Im Jubiläumsjahr habe ich mir fest vorgenommen, den Prinzen nun noch einmal zu lesen – mit anderen Augen und natürlich mit dem Herzen.