Juliane Kmieciak Vor dem inneren Auge sieht man den Satz als Sinnspruch neben Erich-Fried-Postkarten am Bahnhof hängen und ist dann kurz davor, ihn ein bisschen kitschig zu finden: „Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Als ich den Satz zum ersten Mal gehört habe, kannte ich den Unterschied zwischen Kitsch und Poesie noch nicht. Damals, im Französischunterricht, fand ich ihn einfach nur schön.

Dabei hatte ich das Fach bis dahin gehasst. Komplizierte Grammatik und absurde Geschichten von diesem Pierre, der immerzu un kilo de irgendwas auf dem Markt einkauft. Mit dem kleinen Prinzen änderte sich das. Durch so wunderbar kluge und klangvolle Sätze wie „On ne voir bien qu’avec le cœur. L’essentiel est invisible pour les yeux“ hatte das ganze Vokabelgepauke plötzlich Sinn. Eine große Geschichte in einfachen Worten.

Nach Antoine de Saint-Exupéry haben das auch andere versucht. Sergio Bambaren und Paulo Coelho zum Beispiel. Und so versuchte ich es Jahre nach dem Abitur auch mit dem träumenden Delfin und mit dem Alchimisten. Aber l’essentiel wusste ich ja längst vom petit prince – und mit dem Unterschied zwischen Kitsch und Poesie konnte ich langsam auch etwas anfangen ... Heute besitze ich übrigens noch drei Ausgaben vom kleinen Prinzen – wie es sich für eine ordentliche Französischlehrerin gehört (auch, wenn sie dann doch in einer Redaktion gelandet ist).