Der Hamburger Verlag Amiguitos ist ein Ein-Frau-Unternehmen. Claudia von Holten will Kinder zum spielerischen Spracherwerb ermuntern. „Warum sollen Kinder, die zweisprachig aufwachsen, nur auf Deutsch lesen?“

Hamburg. Ein Verlag! Darunter stellt sich der gemeine Leser ein imposantes Gebäude vor, mit Auffahrt und Portier, darin ein Verleger mit ehrfurchtgebietend zerfurchter Denkerstirn. Keine Spur von alledem in der Klein Flottbeker Wohnstraße: „Amiguitos – Sprachen für Kinder“ steht am Briefkasten, sonst deutet nichts darauf hin, dass hier ein Kinderbuchverlag residiert. Claudia von Holten öffnet an diesem Morgen die Tür im geblümten Rock und Strickjacke und ist so fröhlich, als wollte sie gleich mit ihren Kindern zum Schwimmen aufbrechen.

Mit drei Schritten steht der Besucher im Wohnzimmer. Vom Schreibtisch fällt der Blick in ein grün zugewuchertes Gärtchen, in einer Ecke wartet ein halbfertig gepacktes Paket. Das ist schon der ganze Verlag. „Amiguitos“ heißt zu Deutsch „kleine Freunde“, und genau darum geht es in dem Programm: um spielerischen Spracherwerb und die Annäherung an einen anderen Kulturkreis. „Wir haben eine mehrsprachige Realität in Deutschland“, sagt von Holten, „aber wir gehen damit nicht kompetent um. Warum verlangen wir von Kindern aus bilingualen Familien, nur auf Deutsch zu lernen? Sie haben doch zwei Wurzeln.“

Zweisprachige Bücher prägen das Profil von Amiguitos, vom spanischen Fußball bis zu literarischen Titeln wie dem jüngst erschienenen „Das Abenteuer des wilden Flusses“. Von Holten traut sich auch an unbequeme Themen; ein Buch über Trennungskinder mit dem Titel „Und nun?“ stammt aus der Feder des renommierten Kinderbuchautors Finn Ole Heinrich.

Pro Jahr schafft das Eine-Frau-Verlagshaus rund ein halbes Dutzend Bücher, Arbeitshefte oder Lernspiele. Neuerdings bezieht von Holten auch andere Sprachen ein, Französisch etwa, mit eher bescheidenem Erfolg, und Russisch, mit großem Echo.

Dabei hat sie das alles gar nicht geplant. Von Holten ist Wirtschaftswissenschaftlerin, nicht Germanistin. Sie selbst hat auch keine familiären Bezüge nach Spanien. Ihre Mitgründerin Juliane Buschhorn-Walter lernte sie in einer zweisprachigen Kleinkindgruppe kennen. Eher zufällig kamen die beiden Frauen 2004 auf die Idee, eine Sprachspielschule anzubieten – und wurden vom Zuspruch geradezu überrollt. Zwischenzeitlich geboten sie über ein Franchiseunternehmen mit mehr als 20 Partnern. „Aber es gab zu oft persönliche Probleme zu lösen“, sagt von Holten. „Da fehlte die Distanz.“

Lieber konzentrierten sie sich wieder auf ihre Arbeitshefte. 2008 brachten sie ihr erstes literarisches Werk heraus, „El tesoro de cuentos“, eine zweisprachige Sammlung spanischer Märchen. Da lebte Buschhorn-Walter längst auf Mallorca. Der Zusammenarbeit tat das keinen Abbruch. Erst seit dem vergangenen Jahr führt von Holten den Verlag allein. Sie ist in Personalunion Programmplanerin, Vertriebschefin, Pressesprecherin und Buchhalterin, sie verhandelt mit Autoren und Illustratoren und pflegt die Website, die ihr Mann für sie eingerichtet hat.

Arbeit gibt es immer, reich wird sie nicht mit Kinderbüchern. „Wenn man sich für so etwas entscheidet, muss man dafür brennen“, sagt sie. „Sonst hält man das nicht durch.“ Die Ideen gehen ihr jedenfalls nicht aus. Manchmal ist sie sogar selbst Autorin. Die englisch-deutsche Tierfabel „Der allerschönste Platz“, die diesen Herbst erscheint, hat von Holten selbst geschrieben – zusammen mit ihrer 13-jährigenTochter.