Ralf Westhoffs amüsante Komödie „Wir sind die Neuen“ kommt am Donnerstag in die Kinos. Ein Gespräch mit dem Regisseur

Hamburg. Zuerst grüßen sie sich noch ganz freundlich. „Wir sind die Neuen“, ruft Anne den Nachbarn zu, als sie mit ihren Freunden Eddi und Johannes in eine WG zieht. Die drei haben vor Jahrzehnten schon einmal zusammen gewohnt. Jetzt machen sie aus wirtschaftlichen Gründen einen Neuanfang. Auch ihre Nachbarn bilden eine Drei-Personen-Wohngemeinschaft. Die Alten um Anne sind um die 60, das andere Trio ist im Studentenalter. Es knirscht gewaltig zwischen den Generationen. Die Alten sind den Jungen zu laut, zu fröhlich, zu unkonventionell, während sie selbst verbissen, aber planlos an ihren Karrieren feilen.

Gleich beim Antrittsbesuch hauen die Studenten den Alt-68ern Sätze wie „Wir sind keine Gleichgesinnten. Wir sind die Ablösung“ oder „Ich werde die Prüfung nicht schaffen, und dann habe ich kein Examen, und dann werde ich so enden wie ihr“ um die Ohren. Die kontern mit „Wir wollen nett sein. Das muss euch nicht erschrecken, das hat man früher so gemacht.“

Ralf Westhoff hat die Komödie „Wir sind die Neuen“ geschrieben, inszeniert und produziert. Wie schon in „Shoppen“ und „Der letzte schöne Herbsttag“ verbindet er komische und nachdenkliche Momente zu knackigen Dialogen voller Komik mit einer Prise Sozialkritik. Sein Drehbuch war eine Steilvorlage, die seine Schauspieler gekonnt verwandelt haben: Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn lassen dabei Claudia Eisinger, Karoline Schuch und Patrick Güldenberg richtig alt aussehen.

Hamburger Abendblatt: Können Menschen, die vor 30 Jahren mal zusammengewohnt haben, diese Erfahrung einfach recyceln?
Ralf Westhoff: Ich glaube, das ist schwer. Die drei, die es im Film versuchen, machen den Fehler, dass sie nur ihre alten Erfahrungen nachspielen. Sie tun so, als sei zwischendurch keine Zeit vergangen. Sie verweigern sich den Veränderungen und hätten am Anfang ein neues Konzept finden müssen.

Ist man denn in jedem Lebensalter WG-tauglich?
Westhoff: Ich habe es als Student ausprobiert, später allerdings auch noch ziemlich lange, weil in München die Wohnungspreise so hoch sind. Ich fand das ganz schön. Wenn man älter wird, entwickelt man aber viele Eigenarten. Wenn ich heute versuche, fünf Leute ins Kino zu bekommen, gibt es zwei, die gehen nur in ein bestimmtes Kino, andere nur zu einer bestimmten Uhrzeit, manche wollen den Film nicht, andere streiten sich darüber, ob man ihn in der Originalfassung ansehen sollte. Es ist mit zunehmenden Alter mühsam, ein gemeinsames Erleben hinzubekommen.

Weil man erstarrt?
Westhoff: Positiv formuliert: Man findet seinen Weg und weiß, was gut für einen ist.

Was ist der größte Fehler in Sachen WG?
Westhoff: Nur aus ökonomischen Gründen zusammen zu wohnen, ohne wirklich etwas voneinander zu wollen. Menschen, die mit WGs gute Erfahrungen gemacht haben, sagen immer wieder, dass es sie freut, wenn sie nach Hause kommen und noch jemanden in der Küche antreffen.

Die Mitglieder ihrer „alten“ Film-WG sind alle über 60, benehmen sich aber deutlich jünger. Wie realistisch ist das?
Westhoff: Da hat sich viel geändert. Früher war ein 60-Jähriger schon ein älterer Mann. Sie organisieren im Film nicht ihren Lebensabend, sondern finden noch mal eine neue Form des Zusammenlebens.

Die junge WG wirkt dagegen wie früh vergreist.
Westhoff: Diese drei sind so biestig, weil sie großem Druck ausgesetzt sind. Aber natürlich habe ich da an der Komödienschraube gedreht. Manchmal ist einfach der Spaß an der Schadenfreude dabei, den ich mir als Filmemacher herausgenommen habe, weil ich mich der jüngeren Generation näher fühle. Ich habe mich also sozusagen selbst auf die Schippe genommen, da darf man auch schon mal ein bisschen härter sein. Die Probleme der Älteren kenne ich nur aus Erzählungen.

Sind junge Leute aus Ihrer Sicht heute unpolitischer und karriereversessener als die Alt-68er?
Westhoff: Ja. Michael Wittenborn, der einer der Alten spielt, hat diese Zeit wahnsinnig beeinflusst. Es hat ihn gereizt, das wieder aufleben zu lassen. Es ging um Rebellion, man ging auf die Straße, dachte wenig an den späteren Beruf. Ich kenne das natürlich nur aus Erzählungen, aber es war wohl ein Riesenunterschied zu heute. Damals waren die jungen Leute hauptsächlich politisch. Deshalb interessiert sich Wittenborns Charakter Johannes ja auch für Staatsrecht, weil er etwas verändern will, während die junge Jura-Studentin Katharina einfach nur alles von A bis Z lernt.

Die Spießigkeit der Jungen erkennt man auch an den Schuhschachteln, auf denen Fotos der Schuhe kleben, die dort hineingehören. Und Thorsten fotografiert mit seinem Handy den Herd, um sich zu vergewissern, dass die Platten auch tatsächlich ausgeschaltet sind. Woher kommen diese Ideen?Westhoff: Das hat man mir erzählt. Ich fand es so außergewöhnlich, dass ich es mir gemerkt habe. Ein bisschen kann man es ja auch verstehen, aber es ist natürlich skurril.

Wie richtet man die Wohnung von Althippies ein?
Westhoff: Das war nicht so schwer wie die der Jungen. Wir wollten keine spießige Einrichtung, eher eine Hipster-Wohnung, die aber ein bisschen seelenlos ist. Die Alten haben ihre Schallplattenplatten noch und hören sie auch. Die Jungen befestigen sie als Dekoration an der Wand.

Woher kommt Ihr Gespür für gesellschaftliche Relevanz, die man in diesem Film, aber auch in seinen Vorgängern „Shoppen“ und „Der letzte schöne Herbsttag“ spürt, allesamt Komödien mit ernsten Untertönen?
Westhoff: Ich habe sehr gute Kritiker im Freundes- und Familienkreis. Sie korrigieren mich, wenn meine Geschichten zu wenig Substanz haben. Man braucht dann gute Leute, die einem nicht völlig den Wind aus den Segeln nehmen.

Fast alle Szenen spielen in Innenräumen. Warum?
Westhoff: Ich habe versucht, einen Schauspielerfilm zu machen. Das ist nun mal kein bildgewaltiges großes Kino. Wir haben uns auf die Rollen konzentriert und noch viel daran gearbeitet. Wir mussten wenig umziehen, die eingesparte Zeit haben wir lieber in den Dreh gesteckt. Damit fühle ich mich wohl.

Sie gelten als ein Regisseur, der stark auf den vorgegebenen Dialogen beharrt. Was haben die Schauspieler noch einbringen können?
Westhoff: Viel. Sie haben ständig etwas angeboten. Ich musste aufpassen, dass sie mich nicht verführten. Wittenborn hat mich zum Beispiel darauf aufmerksam gemacht, dass man früher Fete sagte statt Party.

Wenn man Ihre drei Filme in der Zusammenschau betrachtet, kann man eine Handschrift erkennen. Ist das gut oder sollte man sich als Regisseur davor hüten, um nicht festgelegt zu werden?
Westhoff: Am schlimmsten finde ich, wenn Leute im Publikum sich darüber ärgern, dass in meinen Filmen so viel geredet wird. Am besten fände ich, dass die Leute denken, das ist ein Westhoff-Film und wissen, was sie erwartet.

„Wir sind die Neuen“ ab 17.7. im Kino, eine Kritik lesen Sie am Donnerstag in LIVE