Wir stellen die TV-Helden unserer Kindheit und Jugend vor. Heute: „Star Trek“ und Co.

Hamburg. „Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs ,Enterprise‘, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung fünf Jahre unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die ,Enterprise‘ in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

So war das damals, Anfang der 1970er, und wie visionär das klang, kann niemand verstehen, der nicht dabei war. Denn 228 Jahre vor diesem Termin gab es gleich mehrere Science-Fiction-Universen zur Auswahl.

Im ersten, also wichtigsten Universum trugen Raumschiffkommandanten Nicki-Pullover, die viel besser aussahen als die eigenen Schlafanzug-Oberteile. Ihre Kumpel hämmerten entweder unverdrossen auf den kollabierenden Warp-Antrieb ein oder hatten beim Medizinverteilen eine Saulaune. Oder spitze Ohren und kein Humor-Gen. Spock, der Halbvulkanier mit den spitzen Ohren, war besonders bewunderungswürdig, weil er einen mächtig coolen Griff ans Schlüsselbein draufhatte, mit dem er jeden in Ohnmacht versetzen konnte. Dass dieser Trick bei unsereins auf dem Schulhof nicht klappte, machte die Sache nur noch ...: faszinierender.

Das Weltall war ja im Prinzip auch nicht groß anderes als das profane Gehampel auf der Erde: Einer dreht durch, die anderen müssen ihn wieder zur Vernunft bringen. Jeder von uns konnte damals blind das devote „Sssssst“ erkennen, mit dem sich der Fahrstuhl zur Kommandobrücke öffnete. Die „USS Enterprise“ flog durch das All und ließ die Sternenpünktchen dabei hinter sich. Schon dieser aus heutiger Sicht bemitleidenswert simple Special Effect war damals ein Traum. Von einer Zukunft, in der Computer nicht nur blinken, sondern auch noch höflich antworten, wenn sie gefragt werden, wo man jetzt abbiegen muss, war man weit entfernt. Heute genügt das Smartphone in der Hosentasche für solche Ansagen.

Ein anderes Universum gab es nur in Schwarz-Weiß, und alle dort sprachen gut erkennbar Deutsch. Schon deswegen waren „Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“ eher zweite Wahl. Der Tonfall erinnerte einfach zu sehr an die Herren, die jeden Freitag im „Kommissar“ paffend um den phlegmatischen Kleingärtner Erik Ode herumstanden. Mitunter waren es ja auch wirklich die Gleichen. Und Dietmar Schönherr, unser James T. Kirk mit österreichischem Akzent? Der kam auch als Moderator von „Wünsch dir was“ im Erwachsenenprogramm, was sehr zu unserer Verwirrung beitrug.

Später schrumpelte die Begeisterung für Major Cliff Allister McLane, den reizbaren Kommandanten des Schnellen Raumkreuzers „Orion“, noch weiter, als herauskam, womit die Bühnenbildner seine Kommandobrücke gebastelt hatten: mit Bügeleisen und Bleistiftanspitzern. Wenn ein Planet explodierte, sah das aus wie eine gesprengte Trüffelpraline. Davon mal abgesehen, war das Design unglaublich 60er-groovy, die Titelmelodie mit der wie bekifft wabernden Orgel war raffiniert. Der Countdown am Anfang nahm vorweg, was die deutsche Band Kraftwerk mit Stimmverfremdung anstellte. Die Frisuren der weiblichen Besatzung? Jackie Kennedy war nichts dagegen. Und erst diese Laserwaffen! Aber mehr als sieben „Raumpatrouille“-Episoden kamen nicht in der Glotze, zu wenig, um zu erkennen, wie visionär diese bundesrepublikanische Nach-68er-Weltall-Utopie war, dieses „Märchen von übermorgen“.

Der Erinnerung nach eher ein Geheimtipp für Gourmets war das dritte Sci-Fi-Juwel: „Time Tunnel“, ähnlich tolle Titelmusik wie „Orion“, aber ganz anderes Thema. Irgendwo in einer US-Wüste hatte die US-Regierung eine Zeitmaschine verbuddelt, die vor allem aus einem riesigen Schwarz-Weiß-Schwurbeltunnel bestand. Damit die Zeitmaschinenmonteure den Bürokraten beweisen konnten, wie gut die Steuer-Fantastilliarden angelegt waren, starteten Dr. Tony Newman und Dr. Dan Phillips einen todesmutigen Selbstversuch. Sie rannten in die Schwurbelspirale, die von kleiderschrankgroßen Rechnern unter Dampf gehalten wurde, und wurden so von einem historischen Ereignis ins nächste geschleudert.

Eben waren sie noch auf der „Titanic“, und schon fanden sie sich im Trojanischen Krieg oder in der fernen Zukunft wieder. Immer waren sie jedoch in großer Gefahr, ständig sprachen alle die gleiche Sprache wie Tony und Dan. Und selbstverständlich fehlte ihnen nie die Zeit, sich bei dieser Rundreise mit Einstein Tours zu rasieren. Running Gag war der zerknirschte Gesichtsausdruck des Technik-Opas und seiner charmanten Assistentin im Maria-Callas-Look, die – „Wir haben sie fast...!“ – immer wieder mitansehen mussten, wie Dr. Tony und Dr. Dan erneut ins nächste Zeitloch plumpsten, ein Vorgang, dessen Darstellung visuell große Ähnlichkeit mit der Wirkung eines gepflegten LSD-Trips hatte. Aber was wussten wir damals schon von so etwas, damals.

Die kleine Tragik am Rande: In den USA startete „Time Tunnel“ 1966 einen Tag nach „Star Trek“. Noch wichtiger aber: 1978, sechs Jahre nach der ersten „Enterprise“-Folge im deutschen Fernsehen, kam „Star Wars“ in die deutschen Kinos. Für alle Jungs, die gern in den Himmel schauten und sich fragten, wie allein sie wirklich sind, gab es kein besseres Jahrzehnt zum Größerwerden als die 1970er.