Eine fromme Betrachtung von Tom R. Schulz

Was soll man ausrufen? Mamma Mia? Porco Madonna? Heiliger Bimbam? Da hat in der derben italienischen Ausgabe der Castingshow „The Voice“ auf Rai Due am Donnerstagabend tatsächlich eine 25-jährige Nonne aus Sizilien das Rennen gemacht. Als Paten hatte sich Ursulinenschwester Cristina unter den vier Musikprofis, die in der Sendung um die Rolle als Coach der Pop-Novizen wetteiferten, J-Ax ausgesucht, einen flächendeckend tätowierten Rapper mit Wollmütze. Der konnte trotz manchen diabolischen Sprüchleins aus seinem Herzen keine Mördergrube machen und bekam angesichts des frommen Mädchens mit der randlosen Brille, den gelblichen Zähnen und dem Herzen auf der Zunge sehr feuchte Augen.

Schlägt jetzt, keine vier Wochen, nachdem Conchita Wurst den Eurovision Song Contest für sich entschied, das Pendel des Pop zurück ins andere Extrem, vom Hedonismus in kreuzbraven Katholizismus? Wo Frau Wurst sich auf der Bühne als Symbiose aus Jesus und Show-Diva inszeniert, bleibt Suor Cristina auch im Scheinwerferlicht stets im schwarzen Ordenshabit und hüpft ihre beschränkt gelenkigen Tänze in klompigen Nonnenschuhen. Die Lebensfreude aber, die ihr beim Singen aus den Augen springt und die J-Ax sofort für sie einnahm, ist rein und riesig. Cristinas Ausgelassenheit vor den Kameras lässt einen vom Glauben an klösterliche Zucht abfallen. Dabei lebt sie vermutlich genau den Katholizismus, der Gott gefällt.