Der Hamburger Sportjournalist Oliver Wurm hat das WM-Magazin „547490“ herausgegeben – ohne einen großen Verlag im Hintergrund zu haben

Hamburg. Oliver Wurm ist verrückt, zumindest ein wenig. Zum Glück für ihn – und alle Fußballfans – ist sein Wahnsinn aber einer der produktiven Sorte. Wenn der Hamburger Sportjournalist erzählt, wie es zu seinem neuesten Projekt gekommen ist, leuchten seine Augen. Und der Enthusiasmus, mit dem er vom Fußball und davon, was er ihm bedeutet, spricht, er steckt an.

Vor einem guten Jahr erinnerte Wurm sich an das Sommermärchen 2006, an die Begeisterung, die ihn durch „einen der schönsten Monate meines Lebens“ getragen hat. Und er fing an zu rechnen: Heute ist er 44 Jahre alt, bei der nächsten WM in Russland 48. 2022 in Katar werden es schon 52 Jahre sein. Aus dem Schrecken ob der schwindenden Jugend entstand schnell der Plan, diese Fußball-Weltmeisterschaft vor Ort zu verbringen. „Und als klar war, dass ich nach Brasilien fahren werde, hatte ich das Gefühl: Dann musst du auch was Geiles dazu machen.“

Das Geile dazu, das hört auf den Namen „547490“ und ist ein Magazin. Ohne Verlag, ohne Redaktionsbüro und ohne Geldgeber im Hintergrund hat Wurm ein Heft aus dem Boden gestampft. „Das war schon ein bisschen wahnsinnig“, gibt er zu. Aber die Fußballverrücktheit paart sich mit großer Erfahrung und Professionalität. „547490“ sieht geradezu unverschämt gut aus. Das Papier, die Fotos, das gesamte Layout. Man hält das mit mehr als 80.000 Euro aus eigener Tasche vorfinanzierte Heft gern in den Händen. Und mit der Schönheit allein ist es nicht getan. Auch inhaltlich leisten sich Wurm und das Team, das er um sich geschart hat, keine Schnitzer.

Getragen wird das Magazin von einem großen Interview mit drei Weltmeistern. Nicht mit den zwei noch lebenden Kapitänen. Sondern mit der „ersten Reihe der zweiten Reihe“, wie Wurm sagt. Mit denen, deren Geschichten man noch nicht so oft gelesen hat. Und schon gar nicht in dieser speziellen Kombination. Horst Eckel spielte 1954 gegen Nándor Hidegkuti, den Mann, den der deutsche Nationaltrainer Sepp Herberger als Schlüsselspieler der Ungarn erkannte. Das Foul an Bernd Hölzenbein im Finale 1974 gegen die Niederlande und der daraus entstandene Elfmeter brachte die deutsche Elf zurück ins Spiel – und Hölzenbein den bis heute andauernden Vorwurf einer Schwalbe. Und Guido Buchwald hatte im Endspiel 1990 die wenig dankbare Aufgabe, gegen Diego Maradona anzutreten. Die drei Weltmeister erzählen sich gegenseitig ihre Geschichte, ihre Geschichten, hier und da unterstützt von den Fragen der Reporter. „Das schönste Kompliment, das du einem Journalisten machen kannst, ist doch: ‚Davon hätte ich gern noch mehr gelesen‘“, sagt Wurm. Und eigentlich hatte er auch genau das vor: keine zusätzlichen Geschichten, nur das Dreiergespräch über „80–90 Seiten“ und ein Statistikteil. Dass er diesen Plan umgeschmissen, noch eine große Fotostrecke und mehrere kleine Geschichten dazugestellt hat, tut dem Lesefluss gut. Obwohl man tatsächlich gern noch mehr gelesen hätte von der Taktik-Fachsimpelei, den kleinen Anekdoten und den großen Unterschieden zwischen diesen drei Mannschaften und diesen drei Spielerpersönlichkeiten.

Mit einer derartigen redaktionellen Leistung im Rücken sollte man meinen, dass Wurm keine Schwierigkeiten gehabt hätte, Anzeigenkunden zu gewinnen. Und doch ist das Gegenteil der Fall: Die großen, naheliegenden Konzerne wie Adidas, Mercedes oder Bitburger, sie haben lange im Voraus festgelegte Budgets. Und Wurms Schnellschuss, der von der ersten Idee bis zum ersten Heft am Kiosk bloß drei Monate gebraucht hat, er hatte keinen Platz in diesen langfristigen Plänen. „Ich habe das falsch eingeschätzt, ich dachte, das geht auch ein bisschen nach Leidenschaft; aber es geht nur nach Tabellen.“ Kurz vor Drucklegung stand auf einmal das ganze Projekt auf der Kippe. Dann kam Wurm die Idee zur „Sponsorenwand“. Innerhalb nur eines Tages organisierte er 17 Anzeigenkunden aus seinem Netzwerk, die zum symbolischen Preis von 1954 Euro auf einer Doppelseite zusammengefasst wurden. Die Druckerei und andere kamen ihm zusätzlich entgegen, und nun ist Wurm guter Dinge, dass er finanziell nicht baden gehen wird mit seinem Geisteskind, das er „quasi als Kapitän“ von der Idee bis zum fertigen Heft geführt hat.

Und was ist, wenn die Deutschen Weltmeister werden? Die Webadresse 54749014.de hat sich Oliver Wurm schon mal gesichert.