Starke Darsteller in einem Filmklassiker auf Platt. „De Nervbüdel“ überzeugt im Ohnsorg-Theater

Hamburg. Auch sehr unterschiedliche Menschen können Freunde werden, mag der Weg dahin noch so verschlungen sein. In dem Theaterstück „De Nervbüdel“, das Regisseur Dirk Böhling jetzt erfolgreich auf die Bühne des Ohnsorg-Theaters brachte, landen durch Zufall der lebensmüde Fotograf Hans-Dieter Spitzeck (Erkki Hopf) und der Profikiller Jens Mahnke (Oskar Ketelhut) in benachbarten Zimmern im Hotel Justitia.

Ein Suizidversuch Spitzecks am Vorhangseil misslingt. Und wie der Zufall es will, muss sich Mahnke, statt vom Hotelzimmer aus einen Kronzeugen zu liquidieren, um Spitzeck kümmern, bis ein Psychologe eintrifft. Einzig um zu verhindern, dass der übereifrige Hotelpage Willi (Markus Gillich) die Polizei alarmiert.

Schon früh erweist sich das Bühnenbild von Katrin Reimers als Clou der Inszenierung. Denn der Zuschauer blickt in zwei aufgeschnittene, halbe Hotelzimmer. Verfolgt das Geschehen parallel. Spitzeck ist in wirklich bedauernswertem Zustand, seit ihn nach acht Jahren seine Frau ausgerechnet für ihren Seelenklempner verlassen hat. Das Selbstmitleid vervielfacht obendrein seinen Redebedarf. Erkki Hopf gibt ihm einen wunderbar nervtötenden Weichei-Charme. Jeder kennt solche Mitmenschen.

Nun ist der eiskalte Killer Mahnke nicht gerade die Einfühlsamkeit in Person. In eher ruppigem Ton der Marke „Reißen Sie sich zusammen“ versucht er zu beschwichtigen. Es ist eine Wonne, Oskar Ketelhut zuzuschauen, wie er, spürbar um Unauffälligkeit bemüht – grauer Anzug, randlose Brille –, mehrfach die Handschuhe überstreift, das schallgedämpfte Maschinengewehr am Fenster justiert und immer wieder von dem nebenan laut sein Schicksal beklagenden Spitzeck unterbrochen wird.

Das Stück lebt von den exzellenten Darstellern. Davon, dass der Verfolger sich hier auf einmal zu einem Verfolgten wandelt. Von Situationskomik und Slapstick. Timing und Choreografie des Abends sitzen. Für die Wendepunkte in der gelungenen Komödie ist ein defekter Rollladen zuständig. Erst kriegt ihn Mahnke auf den Kopf, der daraufhin von Spitzecks Nebenbuhler, dem just eintreffenden Psychiater (Till Huster), per Spritze sediert wird. Später ein Polizist, der kurzerhand im Wandschrank ruhiggestellt wird. Das ist natürlich noch längst nicht alles. Irgendwann wird Blut fließen.

Für Oskar Ketelhut entwickelt sich die Inszenierung zunehmend zum körperlichen Kraftakt. Er taumelt, strauchelt, fällt, verdreht die Augen, lässt sämtliche Gesichtszüge entgleisen. Sehr zur Schadenfreude der Zuschauer. Jammerlappen Spitzeck wiederum findet über die Hilfeleistung zu neuem Lebensmut. Nur kurzzeitig versucht er, seine Ex-Frau Lisa (Birte Kretschmer) noch mit dem renovierten Wochenendhaus in Plön zurückzugewinnen.

Die Rechnung von Regisseur Dirk Böhling, den französisch-italienischen Filmerfolg „Die Filzlaus“ des französischen Theater- und Drehbuchautors Francis Veber – übersetzt von Dieter Hallervorden und ins Plattdeutsche übertragen von Frank Grupe – als „De Nervbüdel“ erstaufzuführen, geht auf. Im Filmhit von 1973 konnten Lino Ventura als Killer und Jacques Brel als lebensmüder Hemdenverkäufer überzeugen. Billy Wilder verarbeitete den Stoff 1981 in seinem Hollywood-Remake „Buddy Buddy“ mit Walter Matthau und Jack Lemmon.

Es sind wie immer die kleinen sympathischen lokalen Einfärbungen, die diese Inszenierung zu einem charmanten Vergnügen machen. Das recht hemmungslose Spiel mit dem Thema Männerfreundschaft kippt nie ins Lächerliche, selbst wenn der Hotelpage einmal Spitzeck und Mahnke, später Mahnke und den Polizisten, in recht zweideutigen Positionen antrifft.

Auch wenn sich Spitzeck am Ende in fast schon rührendem Bekenntnis wünscht, mit Mahnke eine Zelle im Knast zu teilen, im wahren Leben, so viel steht am Ende fest, würden aus diesen beiden niemals echte Freunde werden.

„De Nervbüdel“ Vorstellungen bis 9.7., Ohnsorg-Theater, Heidi-Kabel-Platz 1, T. 350 80 30; Infos www.ohnsorg.de