Das Performance-Duo Gintersdorfer/Klaßen zeigt „Das neue schwarze Denken“ drei Tage lang auf Kampnagel

Kampnagel. Afrika und die Auseinandersetzung mit dem Postkolonialismus ist europaweit ein großes Thema im Theater. Die Regisseurin Monika Gintersdorfer und der bildende Künstler Knut Klaßen beschäftigen sich bereits seit 2005 mit dem afrikanischen Kontinent und Fragen kultureller Unterschiede. Vornehmlich mit einer über viele Jahre zusammengewachsenen Truppe von Performern und Tänzern von der Elfenbeinküste.

Es spricht schon einige Ironie aus dem Titel „Das neue schwarze Denken – Chefferie“, ihrer neuen starken Arbeit, die vom 21. bis 23. Mai auf Kampnagel zu erleben ist. Denn wie könnte eine Art des Denkens von einer Hautfarbe bestimmt sein? „Natürlich kann es ein einheitliches schwarzes Denken nicht geben“, sagte Monika Gintersdorfer am Telefon.

Wie üblich steht hinter dem neuen Abend ein Diskurs, in dem es um das afrikanische Selbstverständnis einerseits und praktizierten Rassismus andererseits geht. Doch keine Sorge, kopflastig sind die Abende von Gintersdorfer/Klaßen nie. Dafür sorgen ganz unterschiedliche Showebenen, etwa Musik, Tanz, Stand-up-Comedy, die Anknüpfungspunkte bieten. Das galt schon für den zum Berliner Theatertreffen eingeladenen und dort bejubelten „Othello, c’est qui“ (2008).

Die historische Aufarbeitung des Genozids in Ruanda und seine Folgen sei zwar ein Thema, aber nur eines von vielen, sagt Gintersdorfer. Vielmehr versuche man, Gegenwartsbezüge herzustellen, die realen Lebenswelten der Künstler einzubeziehen, die ihre eigenen Texte beisteuern. Diesmal kommt gut die Hälfte des Ensembles aus Ruanda, dem Kongo und den Niederlanden. Inhaltlich geht es etwa um den rasanten Aufbau Kigalis, der Hauptstadt Ruandas, die derzeit eine Form der Aufwertung und Verdrängung von Wohnraum erlebt, wie wir sie hierzulande unter dem Begriff „Gentrifizierung“ kennen. Es geht um Erziehungsprogramme und ökologische Pläne, immer aber auch um Religion und Subkultur.

Wie üblich ist auch der deutsche Performer Hauke Heumann dabei, der die französischen Texte in einem irrwitzigen Tempo simultan auf der Bühne ins Deutsche übersetzt. Die Hamburger Aufführung ist die dritte Version dieses Abends, der bereits in Ruanda zu sehen war. Die Auswahl der gezeigten Szenen variiert von Ort zu Ort. Erste Begegnungen seien ein zentrales Thema, sagt Monika Gintersdorfer. Denn: „Auch innerhalb des afrikanischen Kontinents wissen die Menschen recht wenig voneinander.“

Vor der Kolonisierung waren „Chefferien“, also Lebenszusammenhänge ohne Hierarchien, in Afrika an der Tagesordnung. Auf der Bühne konterkarieren die Künstler – vom Stand-up-Comedian bis zum Tänzer – diese Tradition mit einer großen Portion Ironie und ernennen sich selbst kurzerhand zu Chefs. An Selbstvertrauen mangelt es da nicht. Dafür sorgt schon das reale Leben: Schließlich hat der Tänzer Franck Edmond Yao inzwischen eine eigene Tanzschule in Abidjan eröffnet, und der Musiker und Performer Gotta Depri ist als Experte für den ivorischen Tanz- und Musikstil „Couper Decaler“ in seiner Heimat zu einem echten Star geworden.

„Als wir anfingen, haben wir uns vor allem für eine bestimmte Qualität von Performance interessiert, nicht unbedingt für den afrikanischen Kontinent als solchen", sagt Monika Gintersdorfer. „Seitdem arbeiten wir an diesen Theaterformen weiter und modifizieren sie ständig.“

Die aktuelle Version von „Das neue schwarze Denken“ ist von heute an auf Kampnagel zu bestaunen.

Gintersdorfer/Klaßen: „Das neue schwarze Denken – Chefferie“ 21. bis 23.5., jew. 20.00, Kampnagel (Bus 172, 173), Jarrestraße 20-24, Karten 12,-/erm. 8,-; www.kampnagel.de