Der Franzose Pascal Rambert inszeniert am Thalia in der Gaußstraße „Ende einer Liebe“ als Zwei-Personen-Stück

Thalia Gaußstraße. „Ich wollte dich sehen um dir zu sagen es ist aus/es geht nicht weiter/wir können so nicht weiter/es ist zu Ende.“ Sätze wie diese hören die meisten Menschen irgendwann in ihrem Leben. Und häufig ist der oder die so Angesprochene ahnungslos. „Wenn die Liebe zu Ende geht, ist das immer schrecklich“, sagt Pascal Rambert und blinzelt durch seine Hipsterbrille in die Frühlingssonne auf der Terrasse des Restaurant Weltbühne. Er muss es wissen. Denn diese Zeilen stammen von ihm und er verarbeitet darin das Ende mehrerer langjähriger Beziehungen.

Der drahtige 51-jährige Franzose ist weltweit stark gefragt. Seit er das Theaterstück „Clôture de l’amour“ („Ende einer Liebe“) 2011 beim Festival d’Avignon herausbrachte, stand sein Telefon kaum noch still. Sechs Versionen hat er seitdem für das Ausland erstellt, von New York über Tokio bis Moskau. In Frankreich touren ohnehin mehrere. Inzwischen ist der Stoff in 15 Sprachen übersetzt. Nun erarbeitet Rambert ihn selbst auf Basis einer Übersetzung von Peter Stephan Jungk am Thalia Theater mit den Schauspielern Jens Harzer und Marina Galic. Die deutsche Erstaufführung ist an diesem Sonnabend im Thalia in der Gaußstraße.

Der Erfolg von „Ende einer Liebe“ beruht nicht zuletzt auf seiner radikalen Form. Denn die sich hier entlieben, sprechen nicht miteinander. Erst ist es der Mann, der einen langen Monolog ablässt, auf den seine ehemalige Liebe nur körpersprachlich reagieren kann. Im zweiten Teil wird sie ihm ebenso lang antworten. Ihn führe beim Text der große Bogen, die Phrase, sagt Pascal Rambert. „Ich schreibe für die Schauspieler.“ Der sich trennende Mann spricht davon, dass er sich wie in einem Netz fühle, dass er sie, die ehemalige Liebe, zwar erkenne, dass sich unter ihrer äußeren Hülle aber inzwischen ein neues Ich befinde. Was folgt, ist die schmerzvolle Erkenntnis, nicht zusammen alt zu werden, dem anderen nicht die Augen zu schließen, wenn alles vorbei ist. Das Wissen, „dass unsere Liebe einem Hund gleicht/der seine Schuldigkeit getan hat/ein ausgeweideter Hund/hohl fertig aus/ohne eine Spur der Lust“. Die Sprache des Mannes ist kalt, objektiv, zugleich voller Musik. Die Sätze folgen in einer raffinierten Ordnung aufeinander.

Auch die Frau findet im zweiten Teil schmerzhafte Vokabeln. Und nun ist es der Mann, der nichts mehr erwidern kann, sondern mit dem eigenen Zusammenbruch ringt. Er habe nicht das Format für diese Liebe gehabt. Sei kein Vier-Sterne-General, sondern ein klitzekleiner Deserteur, sagt sie. In Moskau haben die Männer bei ihrer Rede zum Teil das Theater verlassen, in Italien haben die Frauen applaudiert, als sie endlich das Wort ergriff, erzählt Rambert.

Die Worte, sie schwingen sich auf zu einem Tanz. Das kommt nicht von ungefähr, denn Pascal Rambert ist nicht nur Autor, Regisseur und Leiter des Théâtre de Gennevilliers vor den Toren von Paris, das ein explizit zeitgenössisches Programm ausschließlich mit Uraufführungen vertritt, sondern auch Choreograf. Einer, der großen Wert auf körperliches Spiel legt. Eine Vorliebe, die in Frankreich, im Land der großen Gesten, nicht unbedingt verbreitet ist. „Ich glaube, dass man dem Reellen gegenüber aufmerksam sein muss. Mich interessieren nicht Masken, Kostüme, Videos. Ich bin kein Freund der Überinterpretation oder eines Theaters, das sich der Szene unterwirft“, sagt Rambert. „Ich suche die Person. Die brutale Emotion mit einem Minimum an Fakten. Zwei Personen auf einer Bühne. Das ist für mich auch eine zeitgenössische Figur für den Konflikt des Theaters.“

Alles Überflüssige weglassen, zum Kern der Sache vordringen, darin liegt seine Vorstellung von Kunst. „Lieben, Leiden, Sehnsucht haben, Angst haben zu sterben, das sind die Dinge, die unser Leben berühren“, so Rambert. „Ich spreche viel über das innere Leben, das, was man nicht sieht, was uns leitet. Das Leben handelt davon, ins Innere zu gehen, sich selbst zu nähren.“ Das Stück soll zeigen, dass auch die Worte materiell sind.

Rambert, ein Vielreisender, ist stark von der deutschsprachigen Denkertradition beeinflusst. Von Martin Heidegger, Jochanan Trilse-Finkelstein. Seine ganze Kultur sei geprägt von Deutschland, sagt er. Ungewohnt ausführlich erzählt er von seinen großen Lieben. Von der Mutter seines Sohnes, der Schauspielerin Kate Moran, bekannt durch ihre Mitwirkung in Bob Wilsons Neuauflage von „Einstein on the Beach“, die auch in Berlin gastierte. Die Trennung von Moran nach 14 Jahren hat „Ende einer Liebe“ maßgeblich inspiriert. Gegenwärtig lebt er mit einer Journalistin zusammen. Auch langjährige Freundschaften spielen hinein, etwa mit der bekannten Schauspielerin Emmanuelle Béart, die er demnächst für das Festival d’Automne in Paris in Szene setzen wird.

Am Ende steht auch nach all den Vorhaltungen und der gegenseitigen wortreichen Demontage für Pascal Rambert eine nachdenkliche, aber auch versöhnliche Erkenntnis: „Wenn man einmal geliebt hat, ist es für immer.“

„Ende einer Liebe“ Premiere Sa 26.4., 20.00, Thalia in der Gaußstraße (S Altona, Bus 2), Gaußstraße 190, Karten 20,- bis 26,- unter T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de