Die romantische Komödie „Miss Sixty“ läuft in längst ausgetretenen Bahnen

Essensreste im Gesicht sind scheinbar immer lustig. Vor allem wenn der, dem das Gesicht gehört, nichts von den Essensresten merkt. Und ungerührt auf ein wegen der Essensreste abgelenktes Gegenüber einredet. Bestenfalls geht es um ein sehr ernstes Thema, das steigert noch die Lustigkeit, sagen wir: Ein Mann gesteht einer Frau seine Liebe. Davon handelt die zumindest in Deutschland berühmteste Essensreste-im-Gesicht-Szene, der Sketch „Die Nudel“ von Loriot aus dem Jahr 1977.

Aber einen guten Witz kann man ja auch zweimal erzählen. Oder dreimal, viermal. Muss sich Filmproduzentin Sigrid Hoerner gedacht haben, die mit „Miss Sixty“ nun ihr Regiedebüt vorlegt: Einer Nebenfigur hat sie so oft Essensreste in den Vollbart schmieren lassen, bis garantiert niemand mehr lacht. Dieser Bernhard (Götz Schubert) ist der Chef von Luise (Iris Berben), der Protagonistin von „Miss Sixty“. Die ist Molekularbiologin, und Bernhard schenkt ihr zum 60. Geburtstag ihren Vorruhestand: Er schmeißt sie raus. Mit Salat im Gesicht beim Entlassungsgespräch. Wie soll man so einen Chef ernst nehmen?

Aber wie soll man auch eine Figur wie die verhärmte Luise ernst nehmen: Die wohnt mit 60 noch bei der Mama, trägt eine Brille und eine Frisur aus den 50er-Jahren, vermutlich weil sie so besser als alte Jungfer rüber kommt. Denn sahen alte Jungfern nicht so aus, als es noch welche gab und Komödien mit Doris Day und Rock Hudson?

„Miss Sixty“ möchte offenbar eine solche Doris-Day-und-Rock-Hudson-Komödie sein, bloß eben mit Iris Berben und Edgar Selge. Und außerdem mit dem Twist, dass es ums Altern heute geht. Selge spielt den abgelebten Galeristen Frans, der seine junge Assistentin schon mal auf einer Leiter von hinten nimmt. Doch weil solcherlei Sex-Akrobatik ab einem bestimmten Alter mit Hexenschuss bestraft wird, endet seine darauffolgende Joggingrunde im Park mit der endgültigen Bewegungsunfähigkeit. Da kriecht er dann vor der neuerdings mit viel Zeit gesegneten Spaziergängerin Luise herum, jammernd.

So hätte „Miss Sixty“ also seine beiden Hauptfiguren miteinander bekannt gemacht. Was in einer romantischen Komödie diesen Grobschnitts erzähllogistisch dann noch geleistet werden muss, sind zwei Dinge: Luise und Frans müssen nach einer angemessenen Zeit des einander Blödfindens ein Paar werden, und Luise braucht auch noch ein abstruses Altersproblem, wie es Frans schon hat. Da trifft es sich gut, dass Luise zu Testzwecken vor 20 Jahren mal ein paar unbefruchtete Eier von sich hat einfrieren lassen. Könnte sie nicht überlegen, damit zur Single-Spätgebärenden zu werden?

In-vitro-Fertilisation also soll der Gegenwartsbezug sein in diesem mit den Moralvorstellungen der 50er-, den Witzen der 70er- und der Fernsehästhetik der 90er-Jahre ausgestatteten Kinofilm. Man müsste als Zuschauer (wie die Eier von Luise) schon vor 20 Jahren eingefroren worden sein, um „Miss Sixty“ zeitgenössisch zu finden. Stattdessen entwickelt sich Mitgefühl für das eigentlich wunderbare Schauspielerensemble. Fragt sich, angesichts der Erfahrung der an diesem Film Mitwirkenden: Ist die Vorstellung dieser Leute, dass Menschen heute ins Kino gehen, um bloß nicht überrascht zu werden? Warum bleiben die dann nicht gleich zu Hause vorm Fernseher sitzen?

In dem wird in ein bis zwei Jahren „Miss Sixty“ bestimmt laufen, und das Beste, was man über diese Klamotte sagen kann, ist Folgendes: Sie wird zwischen all den anderen gleich fürs Fernsehen produzierten Filmen nicht unangenehm auffallen, in denen nichts geschieht, was man nicht schon 1000-mal genauso mittelmäßig gesehen hat.

++--- „Miss Sixty“ D 2014, 98 Min., ab 6 J., R: Sigrid Hoerner, D: Iris Berben, Edgar Selge, täglich im Blankeneser, Koralle, Passage u. UCI Mundsburg; www.senator.de/movie/miss-sixty