Eine Diva unternimmt eine mythologische Reise durch das Schmidts Tivoli

Hamburg . Die Fantasie der Georgette Dee kennt keine Grenzen, sie selbst keine Gnade. Zudem hat die Grande Dame, auch bekannt als Grandseigneur des Chansons, mit dem diseusetrösen Programm „Der Seemann und der Prinz“ endlich zu Spitzenleistungen der dramatischen Erzählkunst zurückgefunden. Dabei verliert sie die Niederungen und Höhen des menschlichen Da- und zugleich immer Woandersseins nie aus dem Sinn und, nun ja, Gesang.

Ihre Reiselieder begleiten keineswegs touristische Ausflüge. Die Dee besingt und bespricht in ihren künstlerisch-philosophischen Äußerungen nicht weniger als die Reise des Lebens und manche Reise im Traum. Dabei geraten die Äußerungen nach ein paar Drinks schnell zu Entäußerungen, die Diva zerfließt, explodiert in Gefühlen. Reißt sich aus der Duselei. Schnappt. Atmet durch. Ganz so, als rauche und trinke sie wirklich noch. Jeder kleine Verrutscher der Contenance, jedes Haareraufen ist exakt gespielt und mit Terry Truck, dem legendären Begleiter am Klavier, minutiös geprobt.

Die Traumreise führt die Dee in ihrem neuen Programm „Der Seemann und der Prinz“ zu den Archetypen „Prinz“ (mit langen Klimper-Wimpern) und „Seemann“ (mit Blutige-Rose-Tattoo), denen sie sich als „Sängerin/Sänger“ am Lagerfeuer hinzugesellt. So schwebt, singt, gestikuliert sich die Dee als Wesen von einem anderen Stern im schwarzen Abendkleid durch die Nacht, balanciert leichtfüßig auf des Messers Schneide zwischen wahrer Kunst und purer Behauptung.

Der einzige kleine Ausrutscher des Abends war ein Houston-Anfall, der klang wie „I Will Always Love You“. Das darf zwar jeder singen, sollte aber kaum einer. Ansonsten lohnt es sich, hinzuhören: bei von der Dee sich anverwandelten Songs wie „Sweet Dreams“ von den Eurythmics oder bei variierten eigenen Klassikern wie „Ein Glas auf die Kuh und eins auf die See“. Die bemerkenswerteste Eigenschaft Georgette Dees übrigens ist ihr wahrhaft einmaliges Publikum aus lauter Individualisten, Anarchisten, Lesben, Fetischisten, Schwulen, Schlagersängern, Bankangestellten, Programmierern, Heteros und Corny Littmann. In dessen Tivoli-Programm kommt das Dee-Konzert immer wieder mal vor.