„Weltenbrand“ überzeugte als szenische Collage in der Krypta des Mahnmals St. Nikolai

Hamburg. Auf einer Feldpostkarte vom 17. Dezember 1916, gerichtet an Frau M. Ueberschär in Blankenese, sendet „Papa“ in etwas zittriger Sütterlinschrift Weihnachtsgrüße an die Familie. Knapp zwei Jahre später fand der Wehrmann Paul Ueberschär „durch einen Granatsplitter den Heldentod“. So ist es in der Traueranzeige zu lesen. Die aber sehen wir nicht in der szenischen Collage „Weltenbrand“ in der Krypta des Mahnmals St. Nikolai. Es ist die Feldpostkarte, als übergroße Projektion auf das rohe Gemäuer der Krypta geworfen, die in diesem theatralen Versuch, das nicht begreifbare Schreckliche des Ersten Weltkriegs fassbarer zu machen, zum Menetekel wird.

Mit ganz wenigen Mitteln beweisen die drei Schauspieler Oliver Hermann, Michael Bideller und Markus Voigt unter der Regie von Erik Schäffler, dass eine kleine Form größtmögliche, ja verstörende Wirkung erzeugen kann, wenn das Zusammenspiel von Text-, Musik-, Klang- und Bildelementen dramaturgisch klug verzahnt wird.

Eingeblendete Dokumentaraufnahmen verdeutlichen das Furchtbare des Kriegs

Zum Gedenken an den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren setzen die Schauspieler nicht auf die theatrale Überwältigungsmaschinerie und szenische Maximalwirkung, obwohl eingeblendete Dokumentaraufnahmen, Bilder von Otto Dix, Musik- und Klanguntermalung das Furchtbare des Kriegs verdeutlichen. Es ist der aufrüttelnde Roman „Heeresbericht“ von Edlef Köppen, der eigenes Erleben als Kriegsfreiwilliger in der Person des Adolf Reisinger so realistisch aufgeschrieben hat, dass seine Lektüre ebenbürtig neben der von Remarques „Im Westen nichts Neues“ stehen sollte.

Dieser Roman, der als Collage auch zeitgeschichtliche Dokumente wiedergibt – Kaiser Wilhelm II. erinnert markig daran, dass das deutsche Heer „Blut freudig dahingab für das Vaterland“, der Zirkus Schumann ein „großes patriotisches Schaustück in 4. Akten“ aufführt, während die Seife Myrtol zu vielerlei Zwecken zu gebrauchen ist –, ist hart kontrastiert von der poetischen Expressivität der Gedichte von August Stramm (1874–1915). „Weltenbrand“ ist ein Kammerspiel um Todes- und Lebenssehnsucht, um Hurra-Patriotismus und Kriegsernüchterung, an dessen Ende der paralysierte Reisinger im Lazarett sagt: „Es ist ja immer noch Krieg. Leckt mich am Arsch.“

„Weltenbrand“ nächste Vorstellungen 4.5., 17 Uhr, 3.8. 15 Uhr, Friedhof Ohlsdorf, Fritz-Schumacher-Halle; weltenbrand14.de