Werner Rehm und Charles Brauer begeistern als „Halpern & Johnson“ im Ernst Deutsch Theater

Hamburg. Im Theater geht es manchmal zu wie beim Kuchenbacken: Man nehme ein bewährtes Zwei-Personen-Stück, besetze es nach Gefühl mit zwei Publikumsmagneten und lasse einen erfahrenen Koch ein- bis zweimal umrühren. Fertig ist die gelungene Premiere. Am Ernst Deutsch Theater servieren sie jetzt Herrentorte. Das Rezept ist aufgegangen. Das Stück „Halpern & Johnson“ von Lionel Goldstein erzählt den Beginn einer wunderbaren Freundschaft zwischen zwei älteren Herren. Und wie Herrentorte ist das Stück zugleich bitter und süß und gehaltvoll. Werner Rehm spielt den knorrig-cholerischen jüdischen Schrotthändler Joseph Halpern. Charles Brauer spielt sein kultiviertes Gegenüber, den katholischen Dennis Johnson, gleichfalls bärenstark. Die beiden Bühnenrecken bringen das Drama pointenexakt und konzentriert auf den Punkt.

Regisseur Gerd Heinz ist erfahren und weiß, dass er nicht zu viel rühren darf. Also lässt er Rehm und Brauer spielen, gibt ihnen Raum und Rahmen. Daran tut er gut. Andererseits ist Heinz Regisseur, also konnte er es nicht lassen, den einen oder anderen Statisten à la „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ von Peter Handke über die Bühne traben zu lassen, allerdings etwas unentschieden neben der Handlung her. Auch die Schauspieler haben kleine Abzüge in der B-Note verdient: Wo Rehm mitunter zu sehr aufdreht, drüber wegspielt, wird er für einen Moment ein klitzekleines bisschen unglaubwürdig. Das Quentchen des Guten zu viel ist bei Bauer das Quentchen des Entschlossenen zu wenig. Aber das sind Feinheiten, keine Einschränkungen. Über gute zwei Stunden ziehen die beiden das Publikum in ihren Bann und lassen es den Strudel der Gefühle durchleben, den Goldstein aufrührt.

Nicht nur Florence, auch Johnsons Frau ist an Krebs gestorben, dem „großen K“

Der Anlass der ersten Begegnung von Halpern und Johnson wird zum Beginn einer Reise durch den Herbst des Lebens, den Winter vor Augen, Sommer und Frühling im Rückspiegel: Schrotthändler Joseph Halpern trägt seine Frau Florence (genannt „Flo“) zu Grabe, der Rentner und Ex-Buchprüfer Dennis Johnson legt dort Blumen nieder. Dabei stellt sich heraus, dass er 50 Jahre lang insgeheim mit Florence befreundet war – nach einer dreijährigen Beziehung, die sie zugunsten der Ehe mit Halpern beendete. Der ahnte nichts von seinem Ehe-Schatten, fühlt sich nachträglich von seiner Frau betrogen.

Dabei war die Beziehung von Johnson und Flo all die Jahre rein platonisch, während Halpern selbst seine Frau drei Jahre lang mit seiner großen Liebe betrog. Das wiederum verletzt die Gefühle Johnsons zutiefst, der seine Ex Florence zeitlebens wie eine Heilige verehrte. Das birgt Sprengstoff. Doch obwohl die beiden naheliegenderweise dauernd streiten, schließlich liebten sie die gleiche Frau oder doch – so schält sich Gespräch für Gespräch stärker heraus – immerhin zwei Seiten der gleichen Persönlichkeit.

Und so nah die Streitereien zwischen den beiden betrogenen, letztlich mit der falschen Frau verheirateten Ex-Ehemännern liegen, so groß ist auf der anderen Seite die Nähe zueinander. Johnson kennt Halpern aus den Erzählungen von Florence sehr gut. Und Halpern kann nach ihrem Tod einen gleichaltrigen Gesprächspartner, der seine Frau so gut und so anders kannte, bestens gebrauchen. Obwohl Johnson und Holpern nicht die gleiche Sprache sprechen, finden sie zueinander, erkennen sich durch den anderen. Aus den Abgründen zwischen den Welten und Charakteren schöpft Goldstein die sprachliche Komik. So erinnern manche Dialoge an Loriots Sketch „Herren im Bad“ mit den Herren Müller-Lüdenscheidt und Dr. Klöbner. Dabei ist der Grundton des Stückes tragisch, denn nicht nur Florence, auch Johnsons Frau ist an Krebs gestorben, dem „großen K“. Aber das Leben der beiden Witwer geht weiter, zuletzt Arm in Arm.

Ernst Deutsch Theater, bis 24. Mai