Das Elbjazz Festival präsentiert Ende Mai 50 Konzerte. Die Veranstalter hoffen vor allem, dass das Wetter mitspielt

Hamburg. Namen von einer solchen Strahlkraft, dass sie Karawanen von Fans aus allen Stadtteilen, quer durch Deutschland und noch darüber hinaus in Richtung Hafen Hamburg in Marsch setzen würden, gibt es im Jazz kaum mehr. Das ist irgendwie auch ein Glück für das Elbjazz Festival, das am 23. und 24. Mai bereits zum fünften Mal stattfindet. Es scheint den Besuchern nämlich gar nicht so wichtig zu sein, wer genau spielt. Das wissen die Elbjazz-Veranstalter, seit sie im Vorjahr einem Marktforschungsinstitut den Auftrag gaben, etwas über die Beweggründe ihres Publikums herauszufinden. Dabei zeigte sich nicht nur, dass über die Hälfte noch nie zuvor auf einem Jazz-Festival gewesen war. Vor allem nannten die meisten als Hauptgrund für den Elbjazz-Besuch schlicht und einfach Hafen und Musik. Und: Entdeckerlust.

Das heißt nicht, dass das Elbjazz Festival unabhängig wäre von der Gunst insbesondere eines leider ebenso launenhaften wie völlig unbezahlbaren Top-Stars: der Sonne. Die auswärtigen Gäste – immerhin rund ein Drittel – ließen sich vom Katastrophen-Mai 2013 nicht abschrecken, in der Regel hatten sie die Tickets ja schon lange vorher gekauft. Die Hamburger aber offenbarten sich im Gros doch wieder einmal als Schönwetter-Jazzfans. Sind Friesennerz und Regenhut angesagt, verlockt hier nur den Hardcore-Fan die Kombination Hamburg + Hafen + Jazzmusik.

Deshalb gehen die Stoßgebete der Elbjazz-Erfinderin Tina Heine und ihres kleinen Teams Tag für Tag auch in diesem Jahr wieder an Petrus, er möge sich als tüchtiger Himmelsschleusenwärter betätigen, die Wasser oben lassen und den Himmel freundlich stimmen für den Jazz im Mai.

Zwei große Open-Air-Bühnen sowie die alte Maschinenbauhalle bilden diesmal die Spielorte auf dem Gelände von Blohm + Voss. In der HafenCity wird auf einer Open-Air-Bühne vor der Elbphilharmonie musiziert, außerdem unter festem Dach in der Hauptkirche St. Katharinen, im Theater Kehrwieder, im Thalia im Zelt sowie auf den Schiffen MS „Stubnitz“ und der „Louisiana Star“, dem Mississippi-Schaufelraddampfer, der sich dauerhaft in die Elbe verirrt hat.

50 Konzerte stehen auf dem Programm, und dass einige Acts zweimal auftreten, kommt zwar dem gegenüber dem Vorjahr um etwa zehn Prozent geringeren Budget entgegen, aber auch dem Publikum. Wer etwa Dianne Reeves, eine der wenigen echten Diven des Jazzgesangs, am Freitag auf der Hauptbühne bei Blohm + Voss um 22 Uhr verpasst, weil er auf der MS „Stubnitz“ lieber ihrem ehemaligen Gitarristen Nir Felder lauschen will, einem der Geheimtipps der Programmmacher Götz Bühler und Klaus von Seckendorff – dem gibt Frau Reeves am Sonnabend um 20.30 Uhr in der alten Maschinenbauhalle eine zweite Chance.

Der große alte Mann des südafrikanischen Jazz, Hugh Masekela, kommt zur besten Sendezeit am Freitag (20 Uhr) mit Band und seiner Trompete, und der Bariton Gregory Porter, der seit seinem Auftritt beim Elbjazz 2011 eine bemerkenswerte Karriere hingelegt hat, kehrt an den Ort eines frühen Erfolgs zurück (Sonnabend, 22 Uhr).

Doch wie in den Vorjahren bestimmen auch diesmal wieder Gruppen und Musiker aus Europa das Programm. Deutschland ist stark vertreten etwa mit dem Andromeda Mega Express Orchestra, dem Dieter Ilg Trio, dem phänomenalen Retro-Quartett Echoes of Swing, Benny Greb oder dem Hans Lüdemann Trio. Dabei zeigt sich auch der Hamburger Jazz, den die Programmplaner stets klug integrieren, mit Sebastian Gille, der Hochschul-Bigband, dem Fischer-Spangenberg Quartett und dem, man darf sagen: Comeback der Sängerin Ulita Knaus gut aufgestellt.

Auch der skandinavische Jazz scheint in vielen Facetten auf – vom introvertierten Trio des norwegischen Gitarristen Jacob Young (St. Katharinen) oder dem Pop/Singer/Songwriter-Jazz der Rebekka Bakken über die Dänen Girls In Airports, Oddjob und Marilyn Mazur’s Spirit Cave bis zum finnischen Retro-Jazzer Timo Lassy und der leicht schratigen, hoch sympathischen Truppe Wintergatan aus Schweden.

Mit besonderer Spannung darf dem Auftritt des Trios Dirty Loops (Fr., 23 Uhr, Open-Air-Bühne Am Helgen) entgegengefiebert werden. Die drei blutjungen Schweden an Keyboards und Gesang, Bass und Schlagzeug fusionieren Charme und Schmelz einer Boygroup mit der knochenharten Musikalität und dem Spielvermögen titanischen Jazzrocks, wie ihn einst UK spielten oder Tribal Tech. Eine Legierung, so unwahrscheinlich, dass kein Produzent darauf käme, sie zu probieren. Aber die Dirty Loops klingen umwerfend.

Reichlich Hörfutter also für Fans und Entdecker. Die Preise liegen bei 79 Euro für beide Tage und 49,50 fürs Tagesticket, Benutzung des ausgeklügelten Shuttle-Systems mit Barkassen und Bussen inklusive. Über die etwas kleinere Open-Air-Bühne bei Blohm + Voss wollen die Veranstalter ein Segel ziehen, unter dem locker 1500 Leute trockenen Hauptes der Musik lauschen können. Nur für den Fall, dass Petrus total harthörig sein sollte.

Weitere Infos: www.elbjazz.de