Verlag und Verkaufsplattform in einem: Arte beleuchtet Amazon.

Hamburg. Der Geschäftsmann Jeff Bezos mag für manche Buchverkäufer und Buchmacher der Teufel in Person sein, fest steht allerdings: Der Amazon-Gründer ist erfolgreich mit dem, was er tut. Sein Internet-Kaufhaus führt auch Bügeleisen und Sandalen, für sorgenumwölkte Stirnpartien sorgt der milliardenschwere Mann aber als Literaturimperialist. Sein Unternehmen ist gerade dabei, mit Self-Publishing-Angeboten und hauseigenem Verlag den Buchmarkt, wie wir ihn seit Jahrzehnten kennen, komplett umzukrempeln.

Nicht wenige machen sich derzeit Gedanken um das Kulturgut Buch, das E-Book hat große Zuwachszahlen, alteingesessene Verlage wittern Konkurrenz. In Amerika hat die Marktmacht von Amazon dazu geführt, dass ganze Landstriche weiße Flecken sind, was Buchhandlungen angeht. Was unter der Amazon-Offensive leiden könnte, ist nicht nur die Literaturversorgung, sondern auch die Vielfalt – das ist die Kernaussage des sachlichen und trotzdem Partei ergreifenden Dokumentarfilms, den Arte heute Abend zeigt. „Storyseller – Wie Amazon den Buchmarkt aufmischt“ beleuchtet zunächst das Phänomen der unverhofft zu literarischem Erfolg gekommenen Freizeit-Autoren.

Menschen wie die fränkische Chemielaborantin, die in der Elternzeit anfängt, Mittelalterschmonzetten („Verlorene Träume“) zu schreiben und zum Preis von 1,49 Euro bei Amazon als E-Book zu verkaufen. Ihre Geschichte ist eine von vielen, die die schöne neue Welt des Self-Publishing erzählt: ein Geschäftsmodell, das ohne zwischengeschaltete Verlage auskommt und es Autoren durchaus ermöglicht, alle drei Monate ein neues Buch zu veröffentlichen. Die Filmemacherin Brigitte Kleine begleitet mehrere dieser sich selbst verlegenden Erfolgsautoren, reist auch zur Self-Publishing-Queen Amanda Hocking nach Nordamerika.

Hocking hat viele Millionen E-Books verkauft – auch hier: im Bereich der Genreliteratur –, mittlerweile aber einen Vertrag mit einem richtigen Verlag. Merke: Auch E-Book-Autoren schätzen die Aura, die von den Suhrkamps und Gallimards ausgeht. Und sie lernen auch zu schätzen, dass Lektorat, Vertrieb, Werbung Dinge sind, die Verlage am besten können. In dem Arte-Film kommt ein französischer Verlagschef zu Wort, er wehrt sich auf wunderbar kulturkonservative Weise gegen den Kraken-Parvenü aus Seattle, der seinen Autoren 70 Prozent Anteil aus den Verkäufen überweist.

Der Branchenriese Amazon hat 200 Millionen Kunden weltweit

Zu Wort kommen auch der deutsche Verlagschef Helge Malchow (Kiepenheuer & Witsch), der auf die Beibehaltung der Buchpreisbindung hofft – nur die verhindert amerikanische Verhältnisse, die von Amazons Dumpingmethoden bestimmt werden –, und Jeffrey Belle, der Chef des neu gegründeten Amazon-Verlags, der Bücher auch in physischer Form veröffentlicht. Es gehe beim Verlegen darum, mehr Leser zu finden, sagt er – und verweist auf die 200 Millionen Amazon-Kunden weltweit, die potenzielle Buchkäufer und mit der Logik der Algorithmen in Bezug auf mögliche Interessensgebiete gerasterte Leser sind. Dem Internet-Giganten gehört quasi ein ganzer Stadtteil in Seattle. Überall filmen dürfen die Gäste aus Europa nicht. Dass mit der All-inclusive-Macht Amazons (Verlag und Verkaufsfläche in einem) die Literatur zur Frage darüber wird, was sich rentiert und was nicht, ist für die Filmemacher ausgemacht: „Der Fluss des Geldes sucht immer den geringsten Widerstand“, heißt es aus dem Off. Was in der Tat beweist: Kontrollieren sollte gerade Amazon den Buchmarkt nicht.

„Storyseller“ heute, 22.30 Uhr, Arte