Alexander Simon inszeniert „Betrunkene“ in der Gaußstraße

Hamburg. Der Glaube, der Rausch des Weines bringe nichts als die Wahrheit ans Licht, sorgte schon bei den Germanen dafür, dass sie bei politischen Sitzungen Rebsaft reichten. Den sibirischen Autor Iwan Wyrypajew interessiert in seinem Stück „Betrunkene“ allerdings eher das Private, die Liebe und der Glaube, und natürlich der Kater, den beide verursachen können.

In einem mutig zupackenden Wurf inszeniert Ensemblemitglied Alexander Simon „Betrunkene“ im Thalia in der Gaußstraße. Auf einer leeren Tanzfläche in schimmerndem Schwarz klampft ein Gitarrist ein paar illustrative Akkorde. Die Prostituierte Rosa (Sven Schelker) singt nachtblaue Balladen. Auf der Tanzfläche verrenken sich kunstvoll die Delirenden. Martha (Cathérine Seifert) liefert sich mit Mark (André Szymanski) einen grotesken Ausdruckstanz. Zwei Paare treffen sich und nach einigen Gallonen Wein ist es Zeit für Untreue-Geständnisse.

Die Darsteller, Rafael Stachowiak als Gustav, Cathérine Seifert als Laura, Matthias Leja als Karl und Oda Thormeyer als Magda, werfen sich mit Inbrust und Lust am Slapstick in ihre Rollen. Jeder von ihnen hat einen kurzen, oft sehr komischen Moment, um ein Minidrama hochzukochen. Den ganzen Abend lang liegt eine Atmosphäre über der Bühne, als würde nach einer langen Kneipennacht gleich das Licht angehen. Die Luft ist schwanger von Bänkelgesang und einer Rauschhaftigkeit, die sich in Gestalt einer spritzenden Wasserorgel manifestiert. Und gleichzeitig sind alle besoffen von der eigenen Sinnsuche und dem Versuch der Wahrheitsfindung.

Gekonnt fängt Simon damit Unebenheiten der Textvorlage ein, die sich vor allem dann einstellen, wenn die Inszenierung von den aufgekratzten Bekenntnissen zu den großen Fragen von Schuld, Lüge und Sinn übergeht. Der inszenatorische Überschwang weicht einer Ernsthaftigkeit, die der Text mit seinen gefühlsseligen Bekenntnissen nur bedingt trägt. Als ein aufgekratztes Männertrio beim Junggesellenabschied auf einmal „Gottes Geflüster“ in seinen Herzen hört, ist endgültig ungewiss, ob die Welt nicht doch nur ein Traum ist. „eine Perle in einem Haufen Scheiße“.

Dieser heiter-schmerzhafte Abend dürfte sich den Schwierigkeiten der Vorlage zum Trotz im Spielplan behaupten. Und Thomas Niehaus bläst sehr schön traurig Trompete.

„Betrunkene“ weitere Vorstellungen 15.4., 7.5., jew. 20.00, 8.6., 9.6., jew. 19.00, Thalia Gaußstraße