Die Südafrikanerin Dada Masilo präsentiert einen furiosen „Swan Lake“ auf Kampnagel

Hamburg. Die bekannten Violinen von Peter Tschaikowsky schwellen mit dem Schwanenthema an. Und dann schweben sie auch schon von der Seite herein. In vollendeter Grazie, in weißen Tutus mit weißer Schwanenfeder auf den kurz geschorenen Frisuren. Apart sich vorwärtsbewegend. Und das ganz ohne Spitzenschuhe. Männer wie Frauen.

Allen voran die ungeheuer drahtige Dada Masilo. Mit ihrem „Swan Lake“ begeistert die südafrikanische Choreografin und Tänzerin das Publikum auf Kampnagel. Das Gastspiel anlässlich des Festivals „This ain’t Africa“ reißt die Besucher in der ausverkauften großen Kampnagel-Halle zu minutenlangem Beifall und stehenden Ovationen hin. Die Euphorie ist verdient. Denn Dada Masilo hat sich zwar einerseits respektlos und ziemlich frech über das Allerheiligste des klassischen europäischen Ballett-Kanons hergemacht, zugleich aber seinem universellen Thema in ihrer dekonstruierten Variante einen wahren Liebesdienst erwiesen.

Zu Musiken von Tschaikowsky, aber auch von Steve Reich, Camille SaintSaens oder Arvo Pärt steht ihr ein fantastisches 14-köpfiges Ensemble zur Seite. Die ehrwürdige Geste wird alsbald aufgelöst und das Ensemble bewegt sich zeitgenössisch im Rhythmus unsichtbarer Trommeln. Dazu quietschen und schreien sie, als wären sie gerade auf einer Party in Johannesburg.

Die einzige weiße Tänzerin im Ensemble, ausgerechnet die Mutter des Prinzen Siegfried, der eine Braut finden soll, erklärt in einer langen Textpassage mit gezückter Peitsche den Inhalt sozusagen für Ballett-Dummis. Herrlich ironisiert sie darin den Eindruck, das Libretto aller Ballette folge im Grunde der gleichen Geschichte, heiratswillige Mädchen treffen auf eine Männergruppe, tanzen aufs Schönste aneinander vorbei. Und auch die Solistin und der vor Potenz strotzende Solist verpassen einander. Später kommt es dann doch noch zum „Lass-uns-heiraten-Tanz“. Heiraten soll hier nach dem Willen der Mutter auch Siegfried, leider begehrt er nicht die schöne Dada Masilo, sondern einen attraktiven männlichen Schwan. In diesen Passagen findet „Swan Lake“ zu intensiven, ruhigen Momenten und tänzerisch absolut hinreißenden Pas de Deux. Dada Masilo zeigt noch als Solistin auf der leeren Bühne ihre faszinierende Rebellion. Immer wieder kess mit dem Tutu-Hintern wackelnd, mit den nackten Füßen auf der Stelle tretend. Dazu wild gestikulierend.

Im klassischen Schwanensee verhindern Zaubermächte das Glück des Liebespaares. Hier reißt Dada Masilo nicht nur Stereotypen von afrikanisch und europäisch ein, sondern auch von männlich und weiblich. Und warum sollen am Ende nach einem barbusig getanzten Pas de Trois nicht zwei männliche Schwäne glücklich werden und die Prinzessin im einstigen Nebenbuhler einen Freund fürs Leben finden? Ein schönes, modernes Märchen ist das. Unbedingt anschauen.

Dada Masilo/The Dance Factory: „Swan Lake“ Bis 12.4., jew. 20.00, This ain’t Africa bis 12.4. mit dem Fokus Mahgreb, Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de