Hamburg. Es ist ein Stück über Ausgrenzung, territoriale und sprachliche: Laura de Weck thematisiert in „Espace Schengen“ auf Kampnagel zynisch die Missstände europäischer Einwanderungspolitik. Von den vier Schauspielern sind nur drei physisch anwesend: Sie, die Deutschen, gehören zum Kreis der Privilegierten, der Insider des „Espace Schengen“. Der aus Guinea stammende Bill Saliou wird per Leinwand übertragen – er ist außen vor.

Der Grund: Das Stück wurde in der Schweiz uraufgeführt, und dort wurde ihm die Einreise nicht gestattet. Mit vorgelesenen Gesetzen, Definitionen, Statistiken und kurzen Dialogen, die etwa den Behördenmarathon einer Antragsstellerin nachzeichnen, sorgen Anna König und Christian Bayer für ein sprachliches Chaos, das von Viktor Marek am DJ-Pult musikalisch verstärkt wird. Begriffe werden in neue Beziehungen zueinandergesetzt und wirken widersprüchlich: Ein Wirtschaftsflüchtling ist perspektivlos, der Steuerflüchtige reich, gemeinsam vereinen sich in ihrer Motivation, das Land „aus wirtschaftlichen Gründen“ zu verlassen. Tote Muscheln sind genauso wie Diktatorenkinder, Gastarbeiter und Mangofrüchte zur Einfuhr erlaubt, aber wo besteht eigentlich der Unterschied zwischen wirtschaftsfördernden „Expats“ und den Menschen, die täglich „hoch qualifiziert“ unsere Wohnungen putzen? Die einen werden willig eingebürgert, für die anderen hat sich „das Kontingent“ leider schon erschöpft: Flüchtlinge als Klassengesellschaft.

Kurz vor Schluss dann der Knaller: Bill Saliou kommt persönlich auf die Bühne. Bis zuletzt war sein Auftritt unsicher: Seine Aufenthaltsbewilligung verlängert sich nur im Dreiwochentakt. Umso absurder klingt der von ihm vorgelesene Auszug aus der Willkommensbroschüre Hamburgs, die ihm ein „erfolgreiches Gestalten seiner Zukunft“ in Aussicht stellt. Saliou gibt der Flüchtlingsdebatte ein Gesicht und hat das Potenzial, alle meinungslosen „Schengenmenschen“ zu berühren, aufzurütteln. Und das ist bitter nötig.