Jenfeld ist auch Schauplatz von Nils Mohls zweitem Roman „Stadtrandritter“

Liebe war das zentrale Thema in Nils Mohls „Es war einmal Indianerland“, dem preisgekrönten ersten Teil seiner Stadtrandsaga aus dem Hamburger Stadtteil Jenfeld. Glaube steht im Mittelpunkt der ausufernden Fortsetzung. Edda und Mauser, die Protagonisten von „Indianerland“, spielen in „Stadtrandritter“ zwar auch mit, doch die neuen Erzähler sind Silvester Lanzen und Merle von Aue. Die Nachnamen der beiden Teenager verweisen auf höfische Literatur: die Lanze ist eine mittelalterliche Stichwaffe, Hartmann von Aue ein herausragender Epiker der mittelhochdeutschen Klassik, der Werke wie „Erec“ und „Iwein“ geschrieben hat. Hartmanns Helden unterliegen einem strengen Ehrenkodex, und nach so einem ungeschriebenen Regelwerk versucht sich auch Silvester zu verhalten. Der Glaube und mehr noch sein Engagement in der evangelischen Gemeinde dienen ihm als Orientierung. Er braucht diesen Halt, denn er trauert immer noch um seine Schwester Kitty, die vor drei Jahren an einem Schlaganfall gestorben ist. Auch seine Beziehung zu der selbstbewussten Domino wird problematisch, als er Merle von Aue wiedertrifft und sich in sie verliebt. Außerdem ist in der Hochhaussiedlung noch ein schräger Vogel namens Kondor unterwegs, der viel Unruhe stiftet und sich selbst im Weg steht

Mohl gliedert seinen fast 700 Seiten starken Jugendroman in Aventiuren, dem mittelhochdeutschen Wort für Abenteuer. Allerdings erzählt er die Geschichte von Silvester und Merle nicht chronologisch, sondern springt zeitlich hin und her. Fixpunkt ist der Brand im Jugendzentrum der Gemeinde „Der Gute Hirte“. Das Unglück steht am Anfang und auch an seinem Ende. Immer wieder wird der Erzählfluss durch „nachgestellte Szenen“ unterbrochen, in denen das zuvor Geschilderte aus einer anderen Perspektive verdeutlicht wird. „Making of“ und „Bonusmaterial“ nennt Mohl diese Abschnitte.

Die Sprache in Mohls Romanen ist schlüssig und er widersteht der Versuchung, Jugendslang zu benutzen. Auch die Beschreibung des Milieus zwischen Plattenbauhochhäusern, Getränkebasar und Eisdiele ist genau. Kleingangster diktieren hier den Alltag, das Gemeindezentrum wirkt wie eine Trutzburg gegen Brand III, den starken Mann im Viertel. „Stadtrandritter“ beschreibt atmosphärisch dicht einen Ausschnitt aus Hamburger Verhältnissen, die gern ignoriert werden. Die Innenstadt mit ihren glitzernden Geschäften scheint Lichtjahre entfernt.

Nils Mohl: „Stadtrandritter“, Rowohlt Taschenbuchverlag, 680 Seiten, 14,99 Euro