Der Kurzfilm „La majorité opprimée“ der französischen Filmemacherin Eléonore Pourriat ist der Hit im Netz: Er vertauscht einfach Männer- und Frauenrollen. So reagieren Abendblatt-Leser.

Die französische Filmemacherin Eléonore Pourriat hat offenbar einen Nerv getroffen: Ihr Kurzfilm „La majorité opprimée“ („Die unterdrückte Mehrheit“) ist inzwischen über sieben Millionen Mal im Internet angeschaut worden. Er erzählt die Welt aus der Sicht von Pierre.

Der lebt sein Leben in der klassischen Frauenrolle. Bringt morgens sein Kind in die Kita, Frauen joggen mit nacktem Oberkörper vorbei oder pinkeln offen auf die Straße. Am Ende wird er Opfer einer Vergewaltigung. Später holt Pierres Frau ihren Mann aus dem Krankenhaus ab. Spät allerdings, sie hatte es nicht früher aus dem Meeting geschafft.

Zu diesem Film erreichten uns nach einem Aufruf in der Kolumne „Von Zeit zu Zeit“ viele Reaktionen. Vielen Dank an alle, die uns geschrieben haben!

Jede Frau kennt Situationen wie diese

Beim Anschauen des Films merkte ich, dass er mich traurig macht – wobei ich mir nicht sicher bin, ob das hauptsächlich daran liegt, dass ich mir als Frau nun selber leid tue, oder weil ich es schlimm finde, dass durch den Film offenbart wird, wie groß das Ungleichgewicht tatsächlich noch ist und dass wir das alle, Mann und vor allem Frau – immer noch – einfach so hinnehmen.

Jede Frau kennt Situationen wie die, die in dem Film gezeigt und von Ihnen geschildert wurden. Ich arbeite seit 30 Jahren in der männerdominierten Schifffahrtsbranche und habe so einiges erlebt als einzige Frau in einem Männerteam (in einer vermeintlich gleichberechtigten Position). Aber es hat sich einiges getan in den letzten Jahrzehnten, die jüngeren Generationen gehen sehr viel offener und unvoreingenommener auf Frauen zu – wenn in vielen Köpfen auch manchmal noch die Optik mehr zählt als die Qualifikation.

Die Leserin ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben.

Im Reiherstiegviertel ist es genauso

Ich finde diesen Film sehr gut, sehr interessant. Er erinnert mich an das Buch „Die Töchter Egalias“ von Gerd Brantenberg. Dieser Roman, den ich vor mehr als 30 Jahren gelesen habe, hatte auch die Umkehrung der Geschlechterrolle zum Thema. Der Roman ist heute genauso aktuell wie vor 35 Jahren, was auch der Kurzfilm zeigt. Denn wenn ich im Reiherstiegviertel vor die Tür gehe, kann ich alles genau so – natürlich mit genau umgekehrter Geschlechterrolle – hier beobachten. Und wenn man(n) es genau betrachtet, dann übertreibt der Film noch nicht mal, sondern er untertreibt. Aber letztendlich werden wir alle feststellen, dass eine echte Änderung nur darin liegen kann, dass wir alle, Frauen wie Männer, ein gänzlich anderes Rollenverständnis, geprägt durch echte Gleichberechtigung (nicht Gleichheit), Verständnis, Nächstenliebe und gegenseitigen Respekt für uns entdecken – und leben.

Volker Schenk, per E-Mail

Es hat nicht nur mit Macht zu tun

Unterdrückt und unterprivilegiert fühle ich mich als Frau normalerweise nicht. Aber es gibt natürlich Situationen, wo man als Frau nicht allein sein möchte oder auch so ganz bestimmte Szenen am Arbeitsplatz, nicht unbedingt sexistisch, aber auch z. B. typisch männliches Chefgehabe einer Frau gegenüber. Die Szene, in der die Vergewaltigung des Mannes angedeutet wird, ist ziemlich seltsam. Warum sollten Frauen einen Mann ausgerechnet auf eine Art und Weise erniedrigen, wie sie selbst es andersherum auch wohl sehr oft erfahren? Ich finde den Film durchaus verstörend, aber er macht natürlich auch nachdenklich. Und ich denke, es hat nicht nur mit Macht zu tun, sondern viel mit sehr unterschiedlichen Gehirnstrukturen. Vielleicht ist die übernächste Generation schlauer.

Martina Bredow, per E-Mail

Es hat sich nicht viel geändert

Ich finde den Film großartig. Er zeigt uns mit der simplen Methode der Umdrehung der Geschlechterverhältnisse, was Frauen tagtäglich erleben können, was Männern aber fremd ist. Sie nennen das an einer Stelle Ihres Textes zwar plump und primitiv, aber das fand ich nicht. Es sind meistens die einfachen Bilder, die viel bewirken. An einer anderen Stelle schreiben Sie: „Dass alles eine Frage der Macht ist, aber die nun einmal ungerecht verteilt ist. Dass man da jetzt so schnell auch nichts dran ändern kann.“ Hier möchte ich widersprechen: Ich bin 63 Jahre alt und kenne die Bemühungen für die Gleichberechtigung seit 1968. Es sind zumindest aus meiner Perspektive 45 Jahre vergangen, ohne dass sich etwas änderte. „Einiges“ hätte sich geändert? Es ist leider nicht so sehr viel. Die Medien könnten viel verändern, aber meistens tun sie es nicht. Der Film von Eléonore Pourriat ist eine sehr positive Ausnahme. Ich finde Initiativen wie „Pro Quote“ sehr gut!

Robert Eich, per E-Mail

„Equal Pay“ ist noch immer ein Traum

Ja, wir sind mit der Gleichberechtigung schon recht weit gekommen, heute ist es schon mal möglich, einen sogenannten männlichen Beruf zu lernen, das war vor 20 Jahren nicht möglich. Aber: Noch immer werden wir Frauen offen oder subtil sexuell belästigt, fast täglich. Wir Frauen müssen uns jeden Tag diskriminierende Texte anhören, die ein Mann in derselben Situation nie hören muss. Noch immer ist „Equal Pay“ ein Traum. Frauen werden deswegen gerne eingestellt, weil man so von vornherein den Arbeitsplatz abwertet. Das lässt sich natürlich nicht beweisen.

Frauen, vor allem die Jüngeren, verstehen die von Männern abgesonderten Sprüche, Texte und Formulierungen (noch) nicht als diskriminierend, das kommt erst mit den Jahren und mit der Erfahrung. Schließlich dürfen Männer nicht mehr offensiv Frauen unterdrücken, das geschieht heute viel versteckter und subtiler. Den Film mit den verdrehten Rollen finde ich deswegen gut, beschreibt er doch die Realität, wie Frauen sie aushalten müssen. Hier werden die alltäglichen Situationen (Ja, Männer pinkeln offen und schamfrei in jede Ecke) so karikiert, dass vielleicht die Hoffnung besteht, dass Frauen in ihrer Kritik gegenüber Männern nicht mehr (oder etwas weniger) als Emanzen, Männerhasser oder als hysterisch betitelt werden.

Cornelia Winkler, per E-Mail

Bitte Vorsicht mit Pauschalprinzipien

Wenn man ehrlich ist, läuft es in der Realität doch genau andersherum. Männer müssen in der Regel nach einer Scheidung ein Leben lang nicht zu knapp für die Ex-Frau zahlen (und haben kürzlich mit Mühe und Not ein Gesetz erstritten, dass sie nach einer Trennung ein Recht haben, ihre Kinder zu sehen). Zudem ist das deutsche Bildungssystem komplett auf die Bedürfnisse von Mädchen zugeschnitten, sodass Jungs in der Regel die schlechteren Abschlüsse bekommen. Und dass Männer mit nacktem Oberkörper durch die Gegend joggen oder Frauen an der Ampel sexistisch anprollen – mag sein, dass es so was in Billstedt oder Osdorfer Born gibt, aber ich habe das noch nie in irgendeiner Form mitbekommen. Also man sollte immer vorsichtig sein mit dem Pauschalprinzip „böse Männer – gute Frauen“.

Jan Pracht, per E-Mail

Der Link zum Film: abendblatt.de/rollentausch