Nach neuer EU-Verordnung dürfen Wiederaufnahmen untersagt werden. Auch „Prinzessin Turandot“ könnte davon betroffen sein

Hamburg. Das renommierte, weit über Hamburgs Grenzen hinaus bekannte Theater für Kinder ist in Nöten. Eine neue EU-Verordnung, verbindlich seit dem 1. November 2013, droht der Bühne, die als erstes Theater in Deutschland äußerst erfolgreiche eigene Opernbearbeitungen für Kinder anbot, gerade auf diesem Sektor die Existenzgrundlage zu entziehen.

Auslöser ist die Neu-Inszenierung von „Prinzessin Turandot“ auf die Musik von Giacomo Puccini, deren Premiere zwar am Sonntag wie geplant stattfand – auch die Aufführungsserie bis zum 31. Mai scheint gesichert, doch ob diese Inszenierung, wie im Theater für Kinder üblich, eine Genehmigung des Originalverlags Ricordi für Wiederaufnahmen erhält, steht in den Sternen. „Aufführungen nach der ersten Aufführungsserie werden ausdrücklich nicht genehmigt. Das Aufführungsmaterial ist nach den Aufführungen zu vernichten“, heißt es barsch in einem Vertrag, den Uwe Deeken, der Direktor des Theaters für Kinder, unterschreiben soll.

Eine Gesetzesänderung, als EU-Richtlinie verbindlich, besagt, dass nicht mehr, wie bisher, das Urheberrecht und damit auch der Anspruch auf Tantiemen 70 Jahre nach dem Tod eines Komponisten erlöschen, sondern erst, wenn auch der letzte am Stück Beteiligte 70 Jahre tot ist. Giacomo Puccini ist 1924 gestorben, doch sein Librettist Renato Simoni erst 1952. Für das ohnehin von pekuniären Nöten gebeutelte Theater eine finanzielle Katastrophe, wenn es nicht die Zustimmung der Rechteinhaber bekommt.

„Wenn wir geahnt hätten, dass die EU eine derart hirnrissige Verordnung erlässt, hätten wir uns auf das Projekt Turandot erst gar nicht eingelassen“, wettert Deeken, der seit der Gründung seines Theaters, 1968, für höchste Qualität bürgt. Nach der neuen Regelung müsste er nicht nur 531 Euro als Leihgebühr für die Noten zahlen, sondern 215 Euro für die Einräumung der Rechte plus 19 Prozent Mehrwertsteuer, neben den üblichen fünf Prozent als Tantiemen, die nach jeder verkauften Karte berechnet werden.

Das mag nicht so dramatisch klingen, doch wenn man bedenkt, dass Deeken 14 Euro Eintritt fordert, für Schulen sind es sieben Euro, und wenn man weiß, dass durch die Ganztagsschulen nur noch Aufführungen an den Wochenenden möglich sind, dann wird die Lage prekär. Eines aber steht für Deeken schon jetzt fest, er wird die 531 Euro nicht zahlen. „Wir haben nicht nur wie immer eine hauseigene Textfassung erstellt, wir haben auch Teile der Musik für ein kleines Orchester mit Flügel, Harfe und Schlagwerk eingerichtet. Wozu sollen wir da Notenleihgebühr bezahlen?“

Eine Hoffnung bleibt dem Theater. Joachim Benclowitz, gewiefter Fachanwalt für Urheberrecht und Geschäftsführer des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein, hat im Urheberrechtsgesetz eine kaum bekannte Übergangsvorschrift als Ausnahmevorschrift entdeckt, die das Theater für Kinder retten könnte. Dort heißt es, dass ein Theater keine Zustimmung vom Rechteinhaber braucht, wenn Planungen und Proben bereits vor dem 1. November 2013 stattgefunden haben. Genau das ist hier der Fall. Im März 2013 wurde das Projekt beschlossen, Arbeitsaufträge wurden vergeben, Vertragsabschlüsse mit Sängern/Darstellern, Musikern und allen am Projekt Beteiligten unterschrieben. „Es wäre ein Skandal, wenn der Lappen nicht hochginge, weil das Theater durch die Rechteinhaber kastriert wird“, zeigt sich Benclowitz kämpferisch.

Selbst der Passus in der Übergangsvorschrift, dass der Theaterinhaber keine Zustimmung einholen muss, aber nicht befreit ist von einer „angemessenen Vergütungszahlung“ beunruhigt Benclowitz nicht: „Was ist angemessen?“, fragt er. „Das wird Verhandlungssache sein.“