Die sehenswerte Dokumentation „Der geplünderte Staat“ von Stefan Aust und Peter Ammann räumt auf mit der Mär von den Wohltaten öffentlich-privater Partnerschaften

Keine Dokumentation über staatlich sanktionierte Geldverschwendung kommt ohne die Elbphilharmonie aus. Natürlich nicht. Also startet auch „Der geplünderte Staat“ mit einer Zusammenfassung der merkwürdigen Vorgänge rund um die Vorzeigebaustelle an der Elbe. Und doch darf man sich als Hamburger nach 75 Minuten Film von Stefan Aust und Thomas Ammann ein wenig besser fühlen – auf lokaler Ebene zumindest. Denn anderswo zeigt sich die öffentliche Hand mindestens genauso freigiebig mit dem Geld der Steuerzahler. Öffentlich-private Partnerschaften (ÖPP) heißt spätestens seit Inkrafttreten der Schuldenbremse das Zauberwort, wenn es darum geht, Großprojekte kurzfristig umzusetzen. Und langfristig zu bezahlen. Statt sie selbst zu verwalten, überträgt der Staat Aufträge in steigendem Maße in die Verantwortung von Privatunternehmen. Das ginge schneller und sei günstiger als die traditionelle Ausschreibung, argumentieren die Fürsprecher.

Aber wie die Autoren anhand diverser Projekte in Deutschland und Frankreich nachweisen, trügt der schöne Schein oftmals. Über mehr als eine Legislaturperiode hinaus gedacht können sich die Kosten für Autobahnsanierungen, Modernisierungen von Schulen, Bahnstrecken, Flughäfen und Justizvollzugsanstalten vervielfachen.

Länder und Kommunen binden sich in diesen Partnerschaften über Jahrzehnte hinweg an Unternehmen, wie im Beispiel der JVA Waldeck bei Rostock. Zwei Hamburger Investoren modernisierten den maroden Komplex kurz nach der Wende. Bis zum Ende des Mietvertrages wird das Land Mecklenburg-Vorpommern die Umbaukosten von 55 Millionen Euro mehr als doppelt bezahlt haben, die aktuelle Jahresmiete beträgt über vier Millionen Euro.

Das Pikante an diesem Fall sind aber nicht die Kosten. Es ist die Tatsache, dass Stefan Kludt und sein Partner den Auftrag mithilfe von Bestechung bekommen sollen. Das zumindest sagt Kludt, der nicht mehr an dem Projekt beteiligt ist und entsprechend freimütig über die Verhandlungen mit dem damaligen Finanzstaatssekretär Wilhelm B. plaudert. 500.000 D-Mark hätte er bekommen. Und im weiteren Verlauf eine Anstellung bei Kludts Firma, mit fünfstelligen Bonushonoraren: „Vom Finanzbeamten hab ich ihn zum Multimillionär gemacht“, sagt er. ÖPP öffnen aufgrund ihrer Lukrativität für Firmen und der Intransparenz der Vertragswerke Tür und Tor für Mauscheleien, so die These der Doku.

Mit Rechtsbrüchen haben die anderen Fälle zwar nichts zu tun. Aber viel mit einem abweichenden Verständnis davon, was gute, den Bürgern nutzende Planung heißt. Und auch von dem, was der Bundesrechnungshof von den Partnerschaften hält. Wirtschaftlich seien ÖPP oftmals nicht, sagt Dieter Engels, der oberste Finanzkontrolleur. Details darf er aber genauso wenig nennen wie Anton Hofreiter, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag und scharfer Kritiker des Modells. Die Vertragswerke sind stets so geheim, dass auch die zuständigen Abgeordneten gar nicht genau wissen, was sie genehmigen. Hofreiter klagte bereits mehrfach auf Akteneinsicht. Was er in der Geheimschutzstelle des Bundestags allerdings zu Gesicht bekommt, darf er mit niemandem besprechen.

Trotzdem sind Menschen wie Peter Ramsauer, Peer Steinbrück und Roland Koch große Fürsprecher, die sich allerdings sehr bedeckt halten, wenn es um Vortragshonorare oder Ähnliches geht. Aust und Ammann kontrastieren deren Lobeshymnen auf die Wohltaten, die die ÖPP den Bürgern brächten, unter anderem mit der ersten durch eine solche Partnerschaft sanierten Autobahn, der A1 zwischen Hamburg und Bremen. So führt Ramsauer die indirekten Kosten durch Staus und Unfälle an, die durch eine verlängerte Laufzeit der Sanierung zustande kämen. Die Zahl der Unfälle jedenfalls ist in den vier Jahren, in denen die Strecke erweitert wurde, laut Polizei von 600 bis 700 im Jahr auf 1500 bis 1600 im Jahr gestiegen. Und im geheimen Mietzins, den die A1 mobil GmbH & Co. KG laut des 136.000 Seiten starken Vertrages vom Land Niedersachsen bis 2038 bekommt, ist die Nachrüstung einer elektronischen Verkehrsführung, die sich die Polizei wünscht, nicht enthalten.

Ebenso wenig wie die Mensen der 90 Schulen des Landkreises Offenbach, die von Hochtief und der französischen Firma Vinci Concessions zunächst saniert und nun an den Kreis vermietet werden. Zwar ließ sich die Bauzeit von 25 auf vier Jahre verkürzen. Doch alles, was bei Vertragslegung von ÖPP-Projekten nicht Bestandteil der Verhandlungen ist, lassen sich die Firmen teuer bezahlen. Für Offenbach bedeutet das gut 250 Millionen Euro Mehrkosten bis zum Ende des Vertrags. Die Kostenexplosion in Hamburg ist ebenfalls kein Geheimnis.

Aus gewinnorientierter Perspektive kann man Stefan Kludt also verstehen, wenn er auf die Frage nach seinem Vorgehen bei der JVA Waldeck antwortet: „Jeden Tag würde ich das wieder machen.“ ÖPP sind ein einträgliches Geschäft. Zumindest für den privaten Teil der Partnerschaft.

„Der geplünderte Staat“ Di, 11.2., 22 Uhr, Arte. Wiederholung am Mo, 17.2., 22 Uhr, NDR