Die Schweizer Autorin Laura de Weck über die Fremdenfeindlichkeit ihrer Landsleute und ihr neues Stück

Hamburg. Die Schweizerin Laura de Weck war vier Jahre lang Mitglied des Ensembles des Jungen Schauspielhauses. In dieser Zeit fing sie auch an, Stücke zu schreiben, Stücke, die inzwischen an zahlreichen deutschsprachigen Theatern aufgeführt werden. Seit zwei Jahren führt de Weck auch Regie. Ihr jüngstes Stück, „Espace Schengen“, eine Collage aus Musik, Rechtstexten, Protokollen und Lexikoneinträgen, die die Grenzen zwischen der Schweiz, dem Schengen-Raum und dem restlichen Ausland definieren, entlarvt die Sprache als Mittel der Ausgrenzung. Die in Hamburg lebende Autorin mit Schweizer Pass hat es bereits in Zürich inszeniert, am 6. März folgt die Hamburger Premiere auf Kampnagel. Nach dem Schweizer Votum vom Wochenende, die Zuwanderung zukünftig zu begrenzen, bekommt die Aufführung, in der es um Beamtenkauderwelsch, Sterbetouristen, Steuerflüchtlinge und Asylanten sowie um musikalische Vervielfältigung geht, zusätzlich Aktualität. Wir sprachen mit Laura de Weck über Einwanderungskontingente, Schweizer Vorurteile und Politparolen.

Hamburger Abendblatt:

Die Schweiz will Ausländer nur noch nach festen Kontingenten ins Land lassen. Wie kamen Sie darauf, zu diesem Thema ein Stück zu schreiben?

Laura de Weck:

Ich wollte die verschiedenen Begriffe untersuchen, mit denen Ausländer kategorisiert werden. Es gibt Wirtschaftsflüchtlinge, echte Flüchtlinge, Steuerflüchtlinge, Asylanten, Menschen mit Migrationshintergrund, ausländische Fachkräfte und in der Schweiz auch noch Sterbetouristen. Die nimmt man gerne auf, weil sie gleich wieder verschwinden. Aber Ausländer, die dem Tod in ihrem Heimatland entfliehen wollen, die nimmt man nicht gerne. Es wird ganz klar zwischen guten und schlechten Ausländern unterteilt, je nachdem, welchen wirtschaftlichen Nutzen sie für das Land haben. Mir war es zuerst sprachlich aufgefallen. Ich wollte wissen, woher das kommt und wo man diese Sprachmuster wiederfindet. Nach der Volksabstimmung soll daraus sogar politisch ein System geschaffen werden. Wie groß beispielsweise das Kontingent für Deutsche werden wird, weiß noch niemand.

Wollen die Schweizer, deren Nachbarländer bis zu zehnmal so groß sind wie sie, vielleicht nur ihre Identität wahren?

de Weck:

Natürlich will jeder gerne seine Identität bewahren. Ich spreche beispielsweise mit meinem Sohn Schwyzerdeutsch, obwohl wir in Hamburg wohnen. Aber wenn die Rechte und die Freiheit von Menschen berührt werden, dann stört mich das sehr. So abfällig, wie in der Schweiz oft über Ausländer gesprochen wird, das wäre in Deutschland nicht möglich. Dort hasst und diskriminiert man sehr offen. Hier werden zwar auch Europäer gegenüber Menschen aus Drittstaaten bevorzugt, aber es herrscht trotzdem der Wille, dass die Menschen immer freier und gleichberechtigter werden. Die Schweizer haben sich von Anfang an gegen Europa gesträubt und nur das für sie Vorteilhafte rausgepickt. Ich bin beinahe jeden Monat in Zürich. Dort empfinde ich es nicht so, dass man von Ausländern überrollt wird. Auf dem Land haben sie Angst davor, aber da gibt es kaum Ausländer. Auch wenn man schon Flüchtlinge auf den Gotthard geschickt hat, möglichst weit weg von anderen Menschen.

Hasst man in der Schweiz Deutsche?

de Weck:

Die Angst vor den Deutschen ist dort bestimmt genauso groß wie vor den Asylbewerbern. Obwohl Deutsche und Schweizer ganz ähnliche Werte haben. Deutsche gelten als frech, laut, unhöflich. Außerdem fühlt sich die Schweiz von Deutschland unter Druck gesetzt, da heißt es: Die wollen uns nur das Bankgeheimnis kaputt machen. Deutsche nehmen angeblich Schweizern die Jobs weg, fahren ihnen über den Mund, gelten als Prolls. Es ist die große Angst vor dem großen Bruder, der die Schweiz einnehmen will. Je mehr Deutsche kommen, desto größer wird die Angst. Es sind hauptsächlich Kommunikationsprobleme. Die Deutschen sind eben direkter als die Schweizer. Ich muss den Schweizern ständig erklären, dass Deutsche nicht so sind, wie das Bild, das sie sich von ihnen machen.

Sie verarbeiten Gesetzestexte, Schlager, Statistiken in Ihrem Stück, zeigen das Absurde von Verordnungen.

de Weck:

Die Schweiz ist wirtschaftlich mit der ganzen Welt verbunden. Man will aber nur die Waren, nicht die Menschen im Land haben. Ich will nicht sagen, dass Migration problemlos ist, aber die meisten Probleme lassen sich lösen. Bei allem schaue ich aber nicht aus einem wirtschaftlichen Blick auf das Thema sondern als Künstlerin. Es gibt keine Geschichte, keine Figuren im Stück. Es gibt einen Club, Musik, einen Sänger aus Guinea, einen DJ und zwei Schauspieler. Und ein spannendes Thema.