Die Karriere des blonden Rockmusikers begann in den 60er-Jahren mit den Rattles. Der Künstler ist ist mittendrin in den Vorbereitungen für ein neues Album.

Hamburg. Ein Einberufungsbescheid war das Letzte, was Achim Reichel damals brauchte. Man schrieb das Jahr 1966, Beatmusik war angesagt und Reichel mit The Rattles mittendrin. 18 Monate Dienst bei den Panzergrenadieren würde seiner Karriere einen ordentlichen Knick verpassen. Reichel klagte vor dem Verwaltungsgericht und argumentierte, die Musik, die er mache, sei Modesache. Die könne eineinhalb Jahre später schon wieder „out of fashion“ sein. Die Klage wurde abgewiesen, Reichel ließ sich seine blonde Mähne abrasieren, damit der Stahlhelm passte und zog – begleitet von der Jugendpostille „Bravo“ in die Kaserne ein. Die Angst vor dem Karriereende war unbegründet, Reichels Erfolgsstory ist noch nicht beendet. Im Gegenteil.

Heute feiert der blonde Rockmusiker seinen 70. Geburtstag und ist mittendrin in den Vorbereitungen für ein neues Album. Im vergangenen Oktober hat er in der Laeiszhalle den 100. Auftritt seiner Tour „Solo mit Euch“ absolviert. Mit diesem Storyteller-Programm hat er sein Publikum auf eine Reise durch seine Karriere mitgenommen, die Anfang der 60er-Jahre in Clubs in Bramfeld, Rendsburg und im Star-Club auf der Großen Freiheit begann, wo Reichel und die Rattles einen Bandwettbewerb gewannen. Reichel, am 28. Januar 1944 in Wentorf geboren und auf St. Pauli aufgewachsen, war der Frontmann der erfolgreichsten deutschen Beat-Kapelle, die in England mit den Animals, den Rolling Stones und den Beatles auf Tour war und bis 1967 einen Single-Hit auf den anderen in den Hitparaden platzierte.

Aber Reichel ist nicht nur der uneitle Ur-Vater der deutschen Beat-Musik, er ist ein Stück lebendiger Musikgeschichte, das bis in die Gegenwart reicht. Weil er die Nase voll davon hatte, dass die Rattles als die „deutschen Beatles“ bezeichnet wurden, ging Reichel andere, künstlerisch waghalsige Wege. Zuerst mit der Psychedelic-Band Wonderland, dann mit A.R. & Machines. Das Album „Die grüne Reise“ gehörte zu den Wegbereitern des Krautrock. Später verrockte Reichel Shantys und klassische Balladen und gelangte damit bis in den Deutschunterricht, er produzierte die Mittelalterband Ougenweide, schrieb zusammen mit dem Dichter Jörg Fauser poetische Großstadt-Songs wie „Der Spieler“ und „Boxer Kutte“ und kreierte Gassenhauer wie „Kuddel Daddel Du“ und „Aloja Heja He“.

Mit seinen kurzen Haaren und seiner drahtigen Figur wirkt Achim Reichel nicht wie ein Senior, man könnte ihn leicht zehn Jahre jünger schätzen. Sein Fitness-Geheimnis klingt einfach: „Ich setze mich jeden Morgen eine Stunde aufs Fahrrad und radle Richtung Raakmoor oder Kupferteich. Das hält mich fit.“ Rock on, Achim!