In einem groß angelegten Doku-Drama zum Ersten Weltkrieg stützt sich Arte auf Tagebücher von Menschen aus allen beteiligten Ländern.

Hamburg. Als der Kulturkanal Arte vor etwa 13 Jahren ein Napoleon-Projekt plante, scheiterte dessen Realisierung noch an unüberbrückbaren deutsch-französischen Meinungsverschiedenheiten. Ganz anders als das gemeinsam mit mehreren ARD-Anstalten und dem ORF realisierte Doku-Drama zum Ersten Weltkrieg, das Arte in acht und die ARD in vier Folgen von April an ausstrahlen wird. „14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs“ heißt der wenig ambitionierte Titel eines hoch ambitionierten Fernsehprojekts, das aus der zu erwartenden Flut der Geschichtsdokumentationen zum 100. Jahrestag des Kriegsbeginns herauszuragen verspricht.

„Wir haben uns sehr darum bemüht, eine Balance zwischen Authentizität und Fiktion zu erreichen. Entscheidend waren für uns die Tagebücher, aus denen die Schicksale ganz normaler Menschen sprechen“, sagte Regisseur Jan Peter am Dienstag bei der Vorstellung des Projektes in Hamburg. Es sei nicht darum gegangen, die Abfolge der Schlachten darzustellen, sondern zu zeigen, wie Menschen das Geschehen in allen am Krieg beteiligten Ländern erlebt und beurteilt haben.

Die Idee, Tagebücher als Quelle zu nutzen, erwies sich auch deshalb als glücklich, weil Zeitzeugen für den Ersten Weltkrieg heute nicht mehr zur Verfügung stehen, die Menschen in Europa damals aber bereits weitgehend alphabetisiert waren und daher in allen sozialen Schichten ihre Eindrücke und Erlebnisse notierten. Der Rechercheaufwand war allerdings enorm, in zahlreichen Archiven sichteten die Autoren weltweit mehr als 1200 Tagebücher in 37 Sprachen. Daraus wählten sie die Tagebücher von 14 Menschen aus, nicht nur von Soldaten, sondern auch von Müttern und Kindern. Bekannte Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Ernst Jünger und die Grafikerin Käthe Kollwitz sind Ausnahmen, bei den meisten Protagonisten handelt es sich um ganz normale Menschen: ein Fassmacher aus dem Südwesten Frankreichs etwa, ein österreichischer Bauer, eine britische Krankenschwester.

„Wir wollen nicht nur zeigen, wie die Tagebuchschreiber den Krieg erlebt haben, sondern auch, was der Krieg aus ihnen gemacht hat“, sagte Autor Yury Winterberg, dem es darum ging, emotionale Schlüsselerlebnisse in den Mittelpunkt jeder der acht Episoden zu stellen. Die einzelnen Folge sind zwar thematisch aufgebaut und tragen Titel wie „Der Abgrund“, „Die Verwundung“ oder „Die Sehnsucht“, unterliegen aber dennoch der chronologischen Abfolge der Kriegsjahre.

Und das historische Geschehen wird auch nicht als bekannt vorausgesetzt, sondern anhand von historischem Filmmaterial knapp erläutert. In jeder Folge kommen fünf der 14 Tagebuchschreiber in jeweils wechselnden Zusammenstellungen zu Wort. In der Regel wird das von ihnen notierte Geschehen in aufwendig inszenierten Spielszenen umgesetzt, die in der Originalsprache der jeweiligen Protagonisten und ihrer Darsteller in Kanada, Frankreich und Deutschland gedreht wurden.

In der ersten Folge, die das Geschehen vom Kriegsausbruch Sommer 1914 zum Inhalt hat und am Dienstag vorgestellt wurde, sucht die 14 Jahre alte Russin Marina Yurlova ihren Vater, einen Kosaken-Oberst, auf den Feldern ihres Heimatdorfes, als die ununterbrochen läutenden Kirchenglocken das nahende Unheil ankündigen. Marina ist erstaunt, als der Vater, den sie als harten Menschen kennt, sie in den Arm nimmt. Wenig später folgt sie den Truppen, um selbst Soldatin zu werden. Begeistert verfolgt der zehnjährige Yves Congar in Sedan die Mobilmachung der französischen Truppen, deren schneller Sieg ihm beim Spiel mit Zinnsoldaten unausweichlich erscheint. Wenig später erlebt er desillusioniert, wie die Front immer näher rückt, deutsche Soldaten Sedan besetzen und sich sogar in seinem Elternhaus einquartieren.

Die sozialdemokratische Grafikerin Käthe Kollwitz begrüßt den Kriegsausbruch zwar nicht, kann sich aber bei der Einnahme von Antwerpen patriotischer Gefühle dennoch nicht erwehren. Während ihr Mann, der Arzt Karl Kollwitz, den Sohn Peter verzweifelt daran zu hindern versucht, sich freiwillig zum Kriegsdienst zu melden, begegnet die an sich pazifistisch eingestellte Künstlerin diesem Wunsch mit Verständnis. Begeistert zieht der noch nicht ganz 18-Jährige an die Front nach Flandern. Wenig später erhält das Ehepaar die Todesnachricht. „Peter ist schon vor acht Tagen gestorben“, sagt die fassungslose Mutter, als sie den Brief aus der Hand legt.

In Szenen dieser Art wird die ungeheure Dimension des Geschehens über das Jahrhundert hinweg fassbar, man begreift die Tragik dieses Krieges, der bereits in den ersten drei Monaten mehr als eine Million Menschen das Leben kostete.

Mehr über die 14 Protagonisten, über ihre Tagebücher und weiteren Lebenswege, aber auch über den Verlauf und die Schauplätze des Krieges ist parallel zur Ausstrahlung ab April im Internet unter www.14-tagebuecher.de zu erfahren. Ergänzt wird das biografische Material von Archivbildern, historischen Ton- und Filmaufnahmen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Situation der verschiedenen Ländern erkennen lassen.

Ein zweites von Arte produziertes Web-Special zeichnet die sozialen, wirtschaftlichen, politischen, sportlichen und kulturellen Entwicklungen des Jahres 1914 Tag für Tag nach (Adresse: www.arte.tv/erster-weltkrieg).