Interkulturelle Machtspiele in „JULIA“ nach Strindberg und Identitätssucher aus Russland

Eine verhängnisvolle Affäre zwischen einer Dame und ihrem Diener beschrieb August Strindberg Ende des 19.Jahrhunderts in seinem Drama „Fräulein Julie“. Die damals so unerhörte Affäre, die Gesellschafts- und Sexualpolitik vereint, eignet sich noch heute als Musterstück über ungleiche Seelen und Sexualbeziehungen. Christiane Jatahy hat das Stück aus dem kühlen Schweden ins heiße Brasilien verlegt. Ihre Inszenierung zeigt Klassen- und Rassenkonflikte, und sie arbeitet mit Film- und Theaterelementen.

Julia, eine weiße verwöhnte Tochter aus der Oberschicht (Julia Bernat), verführt Jelson, den schwarzen Chauffeur ihres Vaters (Rodrigo dos Santos). Sie sind mit- und nebeneinander aufgewachsen und doch Lichtjahre voneinander entfernt. Eine solche Affäre gilt auch heute noch nicht als „unbedenklich“, besonders nicht, wenn sie in einem Nobelviertel von Rio de Janeiro stattfindet.

Anfänglich ein Spiel aus Langeweile und Lust, wird die Anziehung beiden zum Verhängnis. Es entspinnt sich mit grausamer Konsequenz ein Psychodrama, angeheizt von Leidenschaft, Macht und Klassenunterschieden.

Bei der auf vielen Festivals in Brüssel, Wien, Zürich hochgelobten Adaption von Strindbergs Kammerspiel geht es nicht um die Tragik einer „unmöglichen“ Liebe zwischen Herrin und Diener. Die Weltenwanderin Jatahy zeigt die gesellschaftspolitische Komponente des Dramas: Das Verhältnis von Herr und Knecht, Meister und Sklave. Indem sie die Rolle der Herrin mit einer jungen weißen Schauspielerin, jene des Dieners mit einem schwarzen Schauspieler besetzt, nimmt sie Bezug auf die unrühmliche Geschichte Brasiliens als eine der Drehscheiben des Sklavenhandels. Der wurde 1888 zwar verboten, seine Auswirkungen sind jedoch bis heute in der Gesellschaft spürbar.

Eine andere Weltenwanderin ist die Heldin in Olga Grjasnowas von der Kritik gerühmtem Debütroman „Der Russe ist einer, der Birken liebt“. Mascha ist zugleich Deutsche, Jüdin, Aserbaidschanerin und je nach Blickwinkel auch Russin oder Türkin. Grjasnowa erzählt von einer schwierigen Identitätssuche mitten in einer deutschen Großstadt. Die israelische Regisseurin Yael Ronen, soeben mit dem Nestroy-Preis dekoriert, hat den Stoff in einer von Kritikern wohlwollend aufgenommenen Inszenierung am Maxim Gorki Theater Berlin herausgebracht.

„JULIA“ 30./31.1., jew. 20.00, „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ 26.1., 19.00, 27.1., 20.00, Thalia Gaußstraße