Eine ARD-Doku mit vielen Prominenten erinnert an den unermüdlichen Kämpfer für Versöhnung zwischen Israel und den arabischen Nachbarn.

„Ich habe es versucht“, steht auf dem Grabstein von Abie Nathan. Das Wort „es“ steht für unermüdliche Bemühungen um Frieden zwischen Israel und den arabischen Nachbarn, für Hilfsaktionen in Afrika und Asien, für direkte Einflussnahme auf israelische Regierungspolitik. Abie Nathan, 1927 in Abadan in Persien geboren und später in Indien aufgewachsen, war ein Friedensaktivist, wie es nicht viele gegeben hat. Er war ein Womanizer und Bohemien mit politischen Überzeugungen, für die er ins Gefängnis gegangen ist und für die er mit zwei Hungerstreiks sein Leben aufs Spiel gesetzt hat. In den 60er-, 70er- und 80er-Jahren gehörte Abie Nathan zu den populärsten Figuren im Nahen Osten, 2008 ist er im Alter von 81 Jahren völlig verarmt in einem Altersheim in Tel Aviv gestorben. Abie Nathan war 20 Jahre lang die Stimme des Friedens und so heißt auch der Dokumentarfilm, den Eric Friedler über Abie Nathan gedreht hat: „The Voice Of Peace“.

Friedler hat sich auf die Suche nach Zeitzeugen gemacht, die miterlebt haben, wie Abie Nathan von einem Schiff im Mittelmeer aus versucht hat, mit cooler Popmusik und spektakulären Aktionen die israelische und die arabische Jugend zusammenzubringen und den Hass in Palästina zu überwinden. Der Dokumentarfilmer ist vor ein paar Jahren auf Nathan aufmerksam geworden, als er im Text von John Lennons Friedenshymne „Give Peace A Chance“ über den Namen Abie Nathan stolperte. Friedler recherchierte und stieß dabei auf die aufsehenerregende Biografie eines Mannes, der auch in seiner Heimat bei der jüngeren Bevölkerung völlig vergessen ist. Für seine Dokumentation bekam er eine Reihe bedeutender Politiker wie den israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres, John Lennons Witwe Yoko Ono, die Musiker Daniel Barenboim und Zubin Mehta und viele der DJs vor die Kamera, die damals für Nathan Sendungen moderiert haben.

„Peace“ hieß der Frachter, den Nathan in Groningen kaufte, dann nach New York fuhr, um es dort mit der nötigen Ausrüstung zu einem schwimmenden Radiosender auszustatten. Geld sammelte er in der US-Metropole für sein Vorhaben ebenfalls ein. Lennon und die Folk-Legenden Joan Baez und Pete Seeger unterstützen ihn. Die Rückreise ins Mittelmeer endete zunächst in Marseille. Die „Peace“ hatte nicht genug Treibstoff an Bord, um die Küste Palästinas zu erreichen. Friedler berichtet in seinem spannenden 90-minütigen Film, dass die MS „Peace“ 18 Monate dort festlag. Unterstützung bekam Nathan, der Frauenheld, von den Prostituierten der südfranzösischen Hafenstadt. Sie spendeten Geld für die Hafengebühren und für Diesel. Im September 1993 ging „The Voice Of Peace“ auf Sendung. Von außerhalb der Drei-Meilen-Zone sendeten Abie Nathan und seine DJs aktuelle Popmusik und Friedensbotschaften – sehr zum Unwillen der israelischen Regierung. Verteidigungsminister Moshe Dayan wollte ihn hinter Gitter bringen, doch gegen die Sounds „von irgendwo“ auf dem Meer konnte er nichts ausrichten. „Manchmal kamen Kanonenboote auf uns zugefahren und wir wussten nicht, ob sie unser Schiff entern würden“, erinnert sich einer der „Peace“-Djs, „aber dann fragten sie nur, ob wir ,Night Fever‘ von den Bee Gees spielen könnten.“

„Nathan war ein Stachel in ihrem Fleisch“, sagt der Dirigent Zubin Mehta über den charmanten Aktivisten. „Er war im Recht, wir im Unrecht“, gibt Schimon Peres heute zu. Abie Nathan war bereits zuvor zum Volkshelden geworden, als er 1966 mit seinem Flugzeug „Shalom 1“ nach Port Said in Ägypten flog, um dem dortigen Präsidenten Nasser eine Friedensbotschaft zu überreichen. Als er nach drei Tagen nach Israel zurückkehrte, wurde er ins Gefängnis gesteckt, weil Kontakte zu den feindlichen Ägyptern verboten waren. 1988 wurde er abermals inhaftiert, nachdem er sich mit Palästinenserführer Arafat getroffen hatte und zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre später erhielten Arafat und Schimon Peres den Friedensnobelpreis für den geschlossenen Friedensvertrag. Eigentlich hätte er Abie Nathan für sein unermüdliches Bemühen um Frieden und seine vielen Hilfsprojekte gehört.

Drei Jahrzehnte lang sammelte er Geld und baute unter anderem Flüchtlingslager in Biafra, Kambodscha und Äthiopien, um Hungersnöte zu lindern und Erdbebenopfern zu helfen. Zweimal trat er in einen Hungerstreik, um 1978 gegen die Siedlungspolitik der Regierung zu protestieren und 1990 gegen ein Gesetz, das den Kontakt von Israelis zu Palästinensern verboten hatte. Im Rollstuhl wurde er damals in die Knesset, das israelische Parlament gebracht, und Staatspräsident Chaim Herzog forderte ihn auf, den Hungerstreik abzubrechen, denn die Regierung fürchtete Tumulte, wenn der populäre Nathan sterben würde.

1993 endete sein Friedenstraum. Durch das Osloer Abkommen war der Frieden im Nahen Osten scheinbar nahe, Nathan bekam kaum noch Unterstützung und – vom jahrzehntelangen Engagement müde geworden – versenkte er die „Peace“ und zerstörte sein Lebenswerk. Von heute aus betrachtet wirkt das untergehende Schiff wie ein Symbol für die gescheiterte Friedenspolitik, denn Israel und die Palästinenser sind von einer friedlichen Koexistenz heute genauso weit entfernt wie Mitte der 70er-Jahre.

„The Voice Of Peace – Der Traum des Abie Nathan“, Di 7.1., 22..45 Uhr, ARD