Aus Briefen des Hamburger Schriftstellers und Orgelbauers Hans Henny Jahnn liest am Montagabend der Schauspieler Siegfried Kernen in der Freien Akademie der Künste in der Innenstadt.

Hamburg. „Dänemark ist ein toter Eierkuchen“, heißt ein Satz, den Hans Henny Jahnn geschrieben hat. Nicht in einem seiner Romane, sondern in einem Brief. Dänemark war von 1933 bis in die späten 40er-Jahre das Domizil des Hamburger Schriftstellers und Orgelbauers. Jahnn erkannte sehr früh die Gefahr, die ihm von den Nazis drohte, und verließ Deutschland in Richtung Bornholm. Aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammt dieser Brief. „Die Kunst ist verschwunden. Die Menschheit ist von einer Flut überspült. Und Dänemark ist ein toter Eierkuchen. Man kann in diesem Land auf dem Lande leben, nicht in der Stadt“, schreibt Jahnn damals. Dieser Satz stammt aus einem bisher unveröffentlichten Brief, den die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek vor einigen Jahren aus dem Nachlass von Jahnns Tochter Signe Trede-Jahnn erworben hat. Ein Konvolut von Hunderten von Briefen wird in der Stabi mit dem gesamten Nachlass von Jahnn aufbewahrt.

„Als in den 80er- und 90er-Jahren die Gesamtausgabe von Jahnns Werken bei Hoffmann und Campe erschien, haben die Herausgeber auch diese Briefe gesichtet, doch viele waren zu privat, um sie mit Rücksicht auf damals noch lebende Personen zu veröffentlichen“, sagt Sandra Hiemer. Die Germanistin war damals eine der Mitherausgeberinnen dieser Gesamtausgabe und zählt zu den rar gesäten Jahnn-Experten. Gemeinsam mit Jan Bünger, der 2003 die Jahnn-Biografie „Der gestrandete Wal“ veröffentlichte, hat Sandra Hiemer für die Lesung in der Freien Akademie der Künste aus dieser Vielzahl an unbekannten Briefen eine Auswahl zusammengestellt, die der Schauspieler Siegfried Kernen lesen wird. Bünger wird gemeinsam mit „Zeit“-Redakteur Ulrich Greiner – auch er ein profunder Kenner des jahnnschen Werkes – auf dem Podium sitzen und Einblicke in Jahnns Nachlass geben.

Sandra Hiemer, die in der Buchhandlung Felix Jud arbeitet, bezeichnet Jahnn als „Briefeschreiber ohnegleichen“. „Viele seiner Briefe sind fünf bis acht Seiten lang und eng beschrieben. Jahnn äußert sich darin zur gesellschaftlichen Lage, aber es gibt auch eine Menge privater Details, die für Frau Ellinor, Tochter Signe und Schwiegersohn Hilmar Trede bestimmt waren. Diese Briefe sind für Jahnn auch Tagebuchersatz gewesen. Viele dieser Briefe sind sehr essayistisch geschrieben.“ Die Hamburger Ausgabe von Jahnns Werken umfasst bisher zwei Bände mit einem Umfang von etwa 2800 Seiten. Mehr als 1000 Briefe haben die Herausgeber damals gesichtet. Sie umfassen einen Zeitraum von 1913 bis 1959.

Obwohl Hans Henny Jahnn als einer der wichtigsten und sprachgewaltigsten deutschen Schriftsteller des 20.Jahrhunderts gilt, wird er bis heute wenig wahrgenommen. „Der Bannkreis aus Unkenntnis und Missachtung, der Jahnns Werk umgibt, ist immer noch nicht durchbrochen. Während andere Autoren seines Ranges längst dem geistigen Erbe zugeschlagen sind und zum Lern- und Lesestoff zählen, ist der 1959 gestorbene Jahnn ein Außenseiter geblieben, von wenigen verehrt, von einigen angefeindet, von den meisten aber nicht gekannt“, schrieb Greiner 1994 zum 100. Geburtstag in der „Zeit“. Immerhin veranstaltet die Freie Akademie der Künste, deren Gründer und Präsident Jahnn von 1950 bis 1959 war, Lesungen, die das Werk dieses außergewöhnlichen Künstlers lebendig halten.

In Hamburg gibt es nicht viele Hinweise auf den Sohn dieser Stadt. Im Stadtteil Uhlenhorst wurde ein Weg nach ihm benannt, sein Grab befindet sich in Nienstedten, im Witthüs im Hirschpark brachte man eine Gedenktafel für ihn an. Nach seiner Rückkehr von Bornholm lebte Hans Henny Jahnn hier bis zu seinem Tode.

„Dänemark ist ein toter Eierkuchen“ Lesung von Hans-Henny-Jahnn-Texten Mo 9.12., 19.00, Freie Akademie der Künste (U/S Hauptbahnhof), Klosterwall 23, Eintritt 10,-; Internet: www.akademie-der-kuenste.de