Hamburger Volksbühne ernennt Schauspieler Uwe Friedrichsen zum 60. Bühnengeburtstag zum Ehrenmitglied

Hamburg . Nur zwei Behauptungen über den Hamburger Schauspieler Uwe Friedrichsen (79) sind völlig unglaubwürdig: Sein Alter und die Zahl der Jahre, die er angeblich auf Bühnen zugebracht hat. Doch auch letztere muss wohl stimmen, da ihn die Volksbühne Hamburg, die größte Besucherorganisation der Stadt, heute aus Anlass seines 60. Bühnengeburtstags für sein Lebenswerk mit einer Feierstunde im Ernst Deutsch Theater zum Ehrenmitglied ernennt. Ansonsten gilt der Bühnen-, Film- und Fernsehstar zu Recht als Vorbild an Glaubwürdigkeit – sowohl in den von ihm verkörperten Rollen als auch persönlich.

Friedrichsen hat sich immer die Freiheit genommen, selbst nachzudenken und sich seine eigene Meinung zu bilden. Über die Nazizeit sagte er einmal in einem Appell gegen rechtsradikale Umtriebe, gerade von Deutschland aus dürfe nie wieder rechte Gewalt ausgehen, und: „Wir dürfen uns nicht schämen, uns zu schämen.“ Das ist ein großer Satz, der viel zu selten zitiert wird, gerade in aktuellen Debatten zur Erinnerungskultur.

Geehrt aber wird Uwe Friedrichsen heute als Schauspieler, der in 60 Jahren nicht an Ausstrahlung verloren hat, sondern an Erfahrung und Qualität gewonnen. Als die „Bild am Sonntag“ vor wenigen Wochen 69 Stars auflistete, die „unser TV besser machen würden“, stand Friedrichsen als ältester Star inmitten Dutzender Anfang 20- bis Mitte 30-Jähriger. Die Begründung: „Weil er einer der letzten noch aktiven Gründgens-Schüler ist und seine hohe Schauspielkunst bis ins Fernsehzeitalter gerettet und gepflegt hat. Gilt als ‚Uwe Schwierigsen‘, weil er nichts weniger als perfekt sein will.“ Perfekt zu sein ist für ihn wohl gerade deshalb eher die Regel als die Ausnahme. Aus der Perfektion wiederum resultiert die große Zahl der Triumphe, die Friedrichsen auf der Bühne, vor der Kamera und als Sprecher vor dem Mikrofon feierte.

Dabei ist Perfektion in seinem Beruf für ihn nur das Tüpfelchen auf dem i, das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Denn die Schauspielerei, davon ist er überzeugt, kann man nicht lernen. „Sie können die Technik lernen“, sagt er, „Sie können lernen, wie man sitzt, steht, spricht oder tanzt, aber Schauspieler ist man von Anfang an, oder man ist es nie.“ Der Beruf, so der Charakterdarsteller, bestehe darin, die Leute so zu interessieren, dass sie Lust haben, den Schauspieler anzuschauen, seinen Weg in einer Rolle zu verfolgen.

Bereits 1953 begann der geborene Altonaer nach einer absolvierten Lehre als Import-/Exportkaufmann mit dem professionellen Theaterspielen, gründete mit zwei Freunden das „Theater 53“, hatte wenig später erste Auftritte in der „Familie Schölermann“, der ersten Familienserie des deutschen Fernsehens. 1955 holte ihn Ida Ehre für das Stück „Ein Ausgangstag“ an die Hamburger Kammerspiele, im Jahr darauf engagierte ihn Gustaf Gründgens am Deutschen Schauspielhaus. Dort spielte er nicht nur den Schüler in dessen berühmter „Faust“-Verfilmung, sondern diverse große Rollen in vielen großen Inszenierungen der Werke von Schiller, Goethe, Kleist, Shakespeare, Beckett, O’Neill, Brecht, Borchert und Camus. Bis 1968 gehörte Friedrichsen dem Schauspielhaus-Ensemble unter dem Gründgens-Nachfolger Oscar Fritz Schuh an, dann entschied er sich, als freier Schauspieler zu arbeiten.

Parallel zu den frühen Bühnenerfolgen setzte sich die Filmkarriere fort. Erinnert sei hier an „Ein Sarg für Mr. Holloway“ von 1961, die Serie „John Klings Abenteuer“ von 1965–70, und nicht zuletzt die beliebte ARD-Fernsehserie „Schwarz-Rot-Gold“ von 1982 bis 1995, in der Uwe Friedrichsen als bärbeißiger Zollamtsmann Hans Zaluskowski, unterstützt von Globig (Edgar Bessen), Hobel (Siegfried W. Kernen) und Doellke (George Meyer-Goll), Kriminalfälle rund um den Hamburger Freihafen löste. Zahlreiche Rollen in Krimireihen („Tatort“, „Der Alte“, „Derrick“) gingen voraus und folgten. Theater-Verfilmungen der „Orestie“ (1966) und des Stückes „Die Ratten“ zählen ebenso zu seinen Stationen wie Arbeiten, bei denen er Ausflüge ins Regiefach unternahm. So inszenierte Friedrichsen unter anderem „Mein Freund Harvey“ von Mary Chase und „George Dandin“ von Molière.

Überwältigend sind des Schauspielers Leistungen als Rezitator und Vorleser. Auch Herbert von Karajan bewunderte diese weitere Begabung des Multitalents – schon Bühnen- und Filmschauspieler sind ja unterschiedliche Berufe. Auch als gefragter Synchronsprecher zählt der Schauspieler zur absoluten Spitzenklasse, lieh Kollegen wie Peter Falk, Gérard Depardieu, Tom Berenger, Donald Sutherland, Dennis Weaver und Danny Glover seine ausdrucksstarke Stimme. Hier zeigt sich die ungeheure Bandbreite seines Könnens. Uwe Friedrichsen beherrscht das Tragödien- und Komödienfach gleichermaßen.

Der Träger der Biermann-Ratjen-Medaille, verliehen vom Hamburger Senat für kulturelle Verdienste um die Stadt, wird heute zur Verleihung der Ehrenmitgliedschaft im Ernst Deutsch Theater weihnachtliche Texte lesen. Und wer Friedrichsen bei seinem jüngsten umjubelten Auftritt im Ohnsorg Theater als Bauer Phil „Lengen na leev“ („Ein Mond für die Beladenen“) von Eugene O’Neill erlebt hat, darf sich schon jetzt auf „Halpern & Johnson“ von Lionel Goldstein am Ernst Deutsch Theater freuen. In diesem Zweipersonenstück wird Friedrichsen gemeinsam mit Charles Brauer spielen (Premiere: 17. April 2014).