„Blancanieves“ ist ein Stummfilm, der die „Schneewittchen“-Geschichte neu erzählt

Im vergangenen Jahr gab es mit „Spieglein Spieglein“ und „Snow White and the Huntsman“ gleich zwei Filme, die sich so unterschiedlich wie sehenswert am „Schneewittchen“-Märchen der Brüder Grimm abarbeiteten. Doch bei aller visuellen Klasse, an „Blancanieves“ des Spaniers Pablo Berger kommen beide nicht heran. Sein Drama, mit zehn Goyas ausgezeichnet und Publikumspreisgewinner beim Fantasy Filmfest, sticht natürlich schon formal heraus, handelt es sich doch um einen Stummfilm in schwarz-weiß. Vergleiche mit „The Artist“ sind schnell gezogen, doch erstens hat Berger sein Projekt bereits Jahre vor dem Erfolg des amerikanischen Oscar-Gewinners auf die Spur gesetzt und lange vergeblich nach Geldgebern gesucht. Und zweitens ist „Blancanieves“ keine Hommage an die US-Stummfilm-Ära, sondern deutlich vom expressionistischen europäischen Stummfilm der 10er- und 20er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts beeinflusst.

Dabei hat Berger die „Schneewittchen“-Geschichte in die spanische Stierkampfszene verlegt. Hier wird der Torero Antonio (Daniel Giménez Cacho) bei einem Kampf schwer verletzt und ist fortan gelähmt. Bei seiner hochschwangeren Frau setzen ob der Aufregung vorzeitig die Wehen ein und sie stirbt im Kindsbett. Ihre Tochter Carmen (Sofia Oria) verbringt die ersten Jahre bei der liebevollen Oma (Angela Molina), als diese jedoch das Zeitliche segnet, kehrt sie zum depressiven Vater zurück, der inzwischen seine Krankenschwester (Maribel Verdú) geheiratet hat – eine bösartige Frau, die dem Mädchen nach dem Leben trachtet. Carmen (jetzt: Macarena Garcia) überlebt einen Mordanschlag, verliert aber ihr Gedächtnis und landet schließlich bei kleinwüchsigen Toreros, die das offenbar vom Vater geerbte Stierkampf-Talent der Kleinen erkennen.

„Blancanieves“ ist ein großer poetischer Wurf voll überragender Bilder, bei dem die fehlenden Dialoge ebenso wenig auffallen wie bei „The Artist“. Unbedingt ansehen!

Bewertung: empfehlenswert

„Blancanieves – Ein Märchen von Schwarz und Weiß“ ES/F/B 2012, 104 Minuten, ab 12 Jahren, R: Pablo Berg, D: Maribel Verdu, Macarena Garcia, Pere Ponce, täglich im Studio-Kino; www.blancanieves-derfilm.de