Das poetische Drama „The Lunchbox“ zeigt, dass Indien mehr bietet als Bollywood-Kino

Wer einmal in Mumbai gewesen ist, wird sie wahrscheinlich gesehen haben. Die Dabbawallas gehören dort zum Stadtbild. 5000 dieser Kuriere flitzen per Rad oder mit der Bahn durch die Stadt, sammeln Mahlzeiten in den Vorstädten ein und bringen sie in die Büros in der City, direkt an den Arbeitsplatz. Nach dem Essen holen sie das Geschirr wieder ab und bringen es zurück. Die privat zubereiteten Mahlzeiten sind trotz der Transportkosten billiger als das Essen im Restaurant. Seit mehr als hundert Jahren funktioniert dieses System mit einer erstaunlich niedrigen Fehlerquote.

Aber genau solch ein Fehler ist der Dreh- und Angelpunkt der Handlung in „The Lunchbox“. Ila merkt, dass ihre Ehe in Routine versinkt. Um den Alltag wieder etwas aufzuhellen, beginnt sie, für ihren Ehemann besonders raffinierte Gerichte zu kochen. Dabei ist sie im ständigen Dialog durch das offene Küchenfenster mit ihrer nie im Bild zu sehenden „Auntie“, die um Ratschläge zu Rezepten und Eheproblemen nie verlegen ist. Der Bote bringt ihr Essen aber irrtümlich nicht ihrem Ehemann, sondern dem wenige Schreibtische weiter arbeitenden Witwer, der kurz vor seiner Pensionierung steht. Das Essen wird zum Katalysator. Sie wundert sich über die ausbleibenden Reaktion ihres Ehemanns, der Witwer über das köstliche Essen, das er plötzlich an jedem Tag bekommt. Durch die Gaumenfreuden aus seiner emotionalen Starre gelöst, lässt sich des misanthropische Mann sogar zu einer freundlichen Haltung zu seinem Nachfolger bewegen.

Witwer und Ehefrau beginnen, mit dem Essgeschirr auch kurze Notizen auszutauschen. Sie lernen einander ein wenig kennen. Beide sind einsam und haben Sehnsüchte. Obwohl sie sich noch nie gesehen haben, finden sie Trost in dem, was der jeweils andere schreibt. Und Hoffnung. „Manchmal fährt der falsche Zug zum richtigen Ort“, sagt er. Sie fangen sogar an, von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Und dann verabreden sie sich zu einem Treffen.

Der indische Film „The Lunchbox“ hat so gar nichts mit der grellen Welt des Bollywood-Kinos zu tun, das zahlreiche Kinoproduktionen des Subkontinents prägt. Ritesh Batra konnte mit diesem Regiedebüt gleich einen großen Erfolg landen. Das leise, poetische Drama lief in Cannes. Es gab Standing Ovations, und der Film gewann den Publikumspreis. Mittlerweile ist er weltweit verkauft worden. Batra erzählt eine Geschichte, die fest im wuseligen Mumbai geerdet ist. Aber die Sehnsüchte, Gefühle und sinnlichen Aspekte des Essens, um die es geht, machen diesen sympathischen und eindringlichen Film zu einem universell verständlichen Leinwandereignis.

++++- „The Lunchbox“ Indien 2013, 105 Min., o. A., R: Ritesh Batra, D: Nimrat Kaur, Irrfan Khan, täglich im Abaton, Blankeneser Kino, Passage, Zeise; www.lunchbox-derfilm.de