Im neuen „Schimanski“-Film zeigt sich Götz George gewohnt in Form. Filmästhetisch bleibt „Loverboy“ allerdings hinter anderen „Tatorten“ zurück

Das Wort hört sich harmlos an: Loverboy. Doch hinter diesem Begriff steckt eine besonders brutale Form der Prostitution. Loverboys sind junge Männer, die gezielt nach minderjährigen Mädchen suchen, ihnen die große Liebe versprechen, sie manipulieren und dann gefügig machen – mit Drogen, Alkohol und Schlägen. Sie sorgen dafür, dass diese Mädchen ihre sozialen Kontakte verlieren und schicken sie dann auf den Strich. „Loverboy“ heißt die aktuelle Folge der „Schimanski“-Reihe. Der Kommissar in Rente (Götz George) kramt wieder seine beigefarbene Feldjacke aus einem Karton und macht sich auf die Suche nach einer verschwundenen 14-Jährigen. Jessica Pollack (Muriel Wimmer) ist die Tochter einer ehemaligen Duisburger Kiezgröße, die Schimanski festgenommen hat und die immer noch im Gefängnis sitzt. Er hat Schimanski gebeten, sein Kind wiederzufinden.

Bei seiner privaten Fahndung gerät Schimanski schnell in das Duisburger Rotlicht-Milieu. Jessica treibt sich mit einem jungen Mann namens Nils (Vladimir Burlakov) herum, dessen Brutalität hinter seinen schönen blauen Augen nicht zu erkennen ist. Nils ist ein Loverboy, Jessica sein jüngstes Opfer. Bei seiner Suche kreuzt Schimanski wie so oft die Ermittlungen seines alten holländischen Kumpels Hänschen (Chiem van Houweninge) und seines ehemaligen Assistenten Hunger (Julian Weigend). Sie ermitteln in einem Mordfall gegen einen jungen Holländer. Auch er war ein Loverboy. In die Recherche schaltet sich auch noch eine verbittert wirkende Frau ein: Susanne Mellert hat eine Organisation gegründet, die sich um Mädchen kümmert, die in die Fänge dieser Nachwuchszuhälter geraten sind. Ihre eigene Tochter ist in das Milieu abgetaucht und unauffindbar.

Das Thema von „Loverboy“ ist hart und dicht dran an der Realität. „Dieses Phänomen der Loverboys war mir in dem Ausmaß nicht bekannt, und daher fand ich es für mich spannend, so eine Geschichte zu erzählen. Weil sie so unvorstellbar menschenverachtend ist, muss sie erzählt werden“, sagt George. Filmästhetisch hingegen bleibt der aktuelle „Schimanski“ (Regie: Kaspar Heidelbach) hinter vielen „Tatort“- oder „Polizeiruf 110“-Folgen zurück. Während der Frankfurter „Tatort“ mit Joachim Król und der „Polizeiruf“ mit Matthias Brandt meistens sehr düster gefilmt sind, scheint in Duisburg immer die Sonne. Doch es entsprach der Intention der Verantwortlichen, keinen Film noir zu drehen, sondern diesen neuen „Schimanski“ retro wirken zulassen.

Der Gag mit der typischen Schimanski-Jacke zu Beginn gibt die Richtung vor. Obwohl Hauptdarsteller George inzwischen den 75. Geburtstag gefeiert hat, rollt er immer noch über Kühlerhauben und liefert sich mit zwei Kleinkriminellen eine sehenswerte Prügelei. Das hat Heidelbach mit einem Augenzwinkern und viel Selbstironie inszeniert. Denn auch Götz George und seine Filmfigur wissen, dass sie nicht mehr denselben Punch besitzen wie noch 1981, als Schimanski zum ersten Mal ermittelte. Doch der Gefahr aus dem Weg geht er auch nicht, denn diese Haltung ist seiner Fernsehfigur immanent. Als er in Rotterdam ein Bordell betritt, um dort nach Jessica zu suchen, signalisiert schon sein Gang: „Hier kommt Ärger!“

Neben der üblichen Crew mit van Houweninge, Denise Virieux als Schimanskis Partnerin und Weigend gibt es ein Wiedersehen mit Anna Loos, die im Kölner „Tatort“ die Sekretärin der beiden Kommissare spielte. Loos überzeugt als emotionale Mutter, die sich nicht damit abfinden will, ihre Tochter an einen Zuhälter verloren zu haben. Muriel Wimmer, Jahrgang 1994, nimmt man die 14-Jährige jedoch nicht ab. Ärgerlich ist auch das Overacting von Nina Kronjäger als Jessicas Mutter. Aber das sind nur marginale Kritikpunkte. Wer den guten alten „Schimanski“ erleben will, bekommt ihn hier wieder in allen bekannten und liebenswerten Facetten.

„Schimanski: Loverboy“ So, 20.15 Uhr, ARD