Choreografin Birgit Scherzer inszeniert am Theater für Kinder

Hamburg. William Shakespeares Komödie „Ein Sommernachtstraum“ sei „voll ewiger Melodie“, schwärmte einst der eher nüchterne Aphoristiker Alfred Polgar. Sie sei, ob mit oder ohne die Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, „eine Dichtung, die die Erde tanzen macht“. Was liegt da näher, als die Choreografin und Regisseurin Birgit Scherzer zu verpflichten, das Stück am Theater für Kinder zu inszenieren? Natürlich mit der Bühnenmusik von Mendelssohn. Das junge Publikum wird bei der Premiere an diesem Sonnabend etwas erleben, was so noch nie an diesem Theater zu sehen war: ein Gesamtkunstwerk aus Sprache, Musik und Tanz.

Birgit Scherzer weiß, dass der „Sommernachtstraum“ mit seinen sexuellen Verwerfungen, mit seinen Verwirrspielen aus Liebe und Trieben nicht zwingend für Kinder geeignet ist. Also suchte sie eine kindgerechte Übersetzung, die den Eros nicht ausschaltet, ihn aber für sie verstehbar macht. Aus dem indischen Lustknaben beispielsweise, den die Elfenkönigin Titania ihrem Gatten Oberon als Spielzeug verweigert, wird ein kleines Drachenkind. Der „menschliche, eheliche Konflikt“ aber bleibe bestehen, sagt Birgit Scherzer und damit auch die Rache Oberons an seiner Gattin. Sie verliebt sich in den Handwerker Zettel, der durch den nickeligen Elf Puck auf Geheiß Oberons in einen Esel verwandelt worden war.

Die Umsetzung des menschlich tierischen Dilemmas sei aber kein „Kasperletheater“ wehrt die Regisseurin ab. Sie selbst, klein, drahtig, mit Kurzhaarschnitt und kreisrunder Brille, wirkt in ihrer quirligen Begeisterung und dem koboldhaften Kichern so, als würde sie am liebsten selbst den Puck verkörpern. Der Begriff „tanzen“ verbietet sich für sie: „Ich bin eine Choreografin, die inhaltlich, nicht formal denkt. Der Text von Shakespeare, den wir in Teilen übernehmen, hat mich zu einer Bewegungssprache inspiriert, die die Schauspieler nicht verdonnert zu tanzen. Sie machen Bewegungen aus sich heraus, die sie gut aussehen lassen.“

Es ist das erste Mal, dass Birgit Scherzer zur Tänzerin an der Dresdner Palucca Schule ausgebildet, mit anschließenden Engagements als Tänzerin und Choreografin in Halle und der Komischen Oper Berlin, für Kinder arbeitet. Neues reizt sie. „Wenn ich das Gefühl hätte, das war’s, könnt ich mich ja gleich in die Grube legen“, sagt die 59 Jährige unverblümt.

„Ich bin immer meinen eigenen Weg gegangen. Ich bin abgehauen“, ist die Kurzfassung ihrer Biografie. Als Künstlerin privilegiert, politisch schikaniert wegen „Separatismus“, flüchtete sie in den Westen. Ein Dreivierteljahr vor dem Mauerfall.

Sie fing bei null an, bekam leitende Positionen an deutschsprachigen Theatern, ist Honorarprofessorin an der Ostberliner Ernst-Busch-Hochschule, arbeitet frei als Choreografin und Regisseurin – und geht ihren Weg: mit Trekkingtouren im Himalaya, sozialem Engagement in Afrika und Indien und neuen künstlerischen Projekten.

„Ein Sommernachtstraum“ Premiere: Sa 9.11., 14.30 Uhr, Theater für Kinder, Max-Brauer-Allee 76, Karten auch für alle weiteren Vorführungen unter T. 38 25 38