Das Hamburger Stadtmagazin „hinnerk“ feiert Geburtstag. Von den Ideen der Gründungsjahre ist nicht mehr viel geblieben

Hamburg/Berlin. Im November 1993 sieht die Welt noch ein wenig anders aus. „Jurassic Park“ ist der erfolgreichste Film des Landes, die Pet Shop Boys führen mit „Go West“ die Charts an, und Hamburg hat kein eigenes schwules Stadtmagazin – zumindest kein seriöses und journalistisch anspruchsvolles. Die beiden Studenten Burkhard Knopke und Werner Hinzpeter wollen das ändern und gründen „hinnerk“. Es gab damals „nur schlimme Käseblätter“, wie Hinzpeter sagt. „Wir wollten professionellen Journalismus machen, und die vorhandenen Medien genügten nicht unseren qualitativen Ansprüchen“, erzählt Knopke.

Die mediale Wahrnehmung von Schwulen war in den 90er-Jahren noch eine gänzlich andere, häufig standen Berichte im Kontext von Kriminalität und Strichern. Aus dieser einseitigen und stereotypen Berichterstattung wollten die Gründer ausbrechen. Auch wenn Hamburg immer etwas liberaler als andere Städte war und in Politik und Wirtschaft viele Männer offen als schwul lebten, wollte „hinnerk“ die Szene aus der öffentlich wahrgenommenen Schmuddelecke befreien – ohne dabei distanzlos zu bleiben. „Es war unser journalistisches Selbstverständnis, auch immer kritischer Begleiter einer Bewegung zu sein“, sagt Knopke. Da „hinnerk“ rein presserechtlich immer ein Anzeigenblatt war, versuchte man Redaktionelles und Werbung klar zu trennen. Damit machte man sich nicht nur Freunde. „Anfangs hatten wir schon eine monopolistische Stellung, da konnten wir auch mal draufhauen. Diese journalistische Freiheit haben wir uns aber erkämpft“, sagt Hinzpeter. So konnten die Macher mit dem einen oder anderen journalistischen Scoop glänzen: Zur Bundestagswahl 1998 redete „hinnerk“ erstmals mit allen fünf Spitzenkandidaten, und George Michael sprach nach seinem berühmten Toiletten-Intermezzo erstmals mit „hinnerk“ über seine sexuelle Orientierung.

Seit Juni dieses Jahres wird „hinnerk“ zentral von Berlin aus produziert

Die Anfangsjahre waren von Kampfgeist geprägt, dem Wunsch, das Schwulsein selbstbewusster zu gestalten. Ein Team von freien Mitarbeitern versuchte für wenig Geld, aber mit viel Idealismus die bunte Szene so variabel wie möglich darzustellen. In einem sieben Quadratmeter großen Raum hatten sich die Gründer bei der „taz“ eingemietet. „Das war eine großartige Zeit. Wir haben einen Standard gesetzt, den viele nachgeahmt haben“, sagt Hinzpeter nicht ohne Stolz. Doch die Szene hat sich seitdem enorm gewandelt, die großen politischen Grabenkämpfe sind weitestgehend ausgefochten, die Akzeptanz von Schwulen in der Gesellschaft hat sich verbessert.

Werner Hinzpeter leitete das Blatt bis 1994, danach Burkhard Knopke bis 2000. Journalisten sind beide bis heute. Hinzpeter arbeitet bei der Stiftung Warentest, Knopke bei „Auto-Bild“. Seit dem Ausstieg der Gründer hat sich viel getan. Chefredakteure und Besitzer wechselten in schöner Regelmäßigkeit. Erst im Juni dieses Jahres kaufte das Konkurrenzblatt „blu“ „hinnerk“ und hat nun sechs schwule Magazine im Portfolio. „hinnerk“ wird seitdem zentral aus Berlin produziert, in Hamburg sitzt nur noch die Anzeigenabteilung, unterstützt durch freie Fotografen. „Ich bin aber sehr gut in Hamburg vernetzt“, sagt der neue Chefredakteur Christian Knuth. Viele Themen könne er per Telefon, E-Mail und über andere Web-Kanäle auch von Berlin aus abdecken, mindestens einmal im Monat ist er aber auch direkt in Hamburg vor Ort.

Die Gründer können ihren alten „hinnerk“ aktuell jedoch kaum wiedererkennen und kritisieren genau das, was sie damals verhindern wollten: „Das Blatt ist heute vor allem ein gefälliges Umfeld für Anzeigenkunden, unabhängiger Journalismus ist das nicht“, sagt Burkhard Knopke. Und so werden die Gründer an diesem Donnerstag auch nicht im Scandic Hamburg Emporio den 20. Geburtstag feiern. Eingeladen waren sie ohnehin nicht.